Jung rechtfertigt Bombenbefehl

Der frühere Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) hat am Donnerstag vor dem Bundestags-Untersuchungsausschuss zur Kundus-Affäre die zögerliche Informationspolitik der Bundesregierung nach dem verheerenden Bombardement in Afghanistan verteidigt.

Berlin. Vor sich ein Stapel handbeschriebene Blätter, wichtige Passagen hellblau markiert. So trat der frühere Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) gestern vor den Kundus-Untersuchungsausschuss. Minutiös schilderte er, wann er wie und wo von den Ereignissen erfahren habe. In der Sache blieb er aber bei seiner Haltung, die er schon unmittelbar nach dem Bombardement vom 4. September 2009 eingenommen hatte: Der Befehl zum Abwurf durch den deutschen Oberst Georg Klein sei damals wie heute "nachvollziehbar" gewesen.

Jung schilderte die Gefahrensituation in den Tagen vor dem Zwischenfall, der laut einem Untersuchungsbericht der Nato bis zu 142 Opfer gefordert hat, darunter viele Zivilisten. Fast täglich habe es Gefechte gegeben; Oberst Klein habe davon ausgehen müssen, dass zwei von den Taliban entführte Tanklaster als rollende Bomben eingesetzt werden sollten. "Was wäre eigentlich gewesen, wenn es dann 60 oder mehr tote Bundeswehrsoldaten gegeben hätte", fragte der Ex-Minister. Jung wollte sich damals, das verhehlte er nicht, hinter die Soldaten und Oberst Klein stellen. Und auch heute noch hat er offenbar Zweifel, ob wirklich viele Unschuldige ums Leben kamen.

Doch Jung ist schon zurückgetreten und für die Opposition nicht mehr so interessant. Deren eigentliche Aufmerksamkeit gilt seinem Nachfolger Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU), der am 22. April aussagen soll. Übrigens nicht vom Fernsehen übertragen; die Koalitionsmehrheit lehnte das gestern ab, obwohl zu Guttenberg selbst nichts dagegen gehabt hätte.

Kanzleramt rückt in den Fokus der Untersuchung



Ein Feldjäger-Bericht über den Kundus-Zwischenfall wurde Jung zum Verhängnis, denn der CDU-Politiker hatte zwar von dem Papier erfahren, das Hinweise auf massive Fehler beim Bombenbefehl enthielt, es aber ungelesen an die Nato weiterleiten lassen. Er habe sich geärgert, dass die Feldjäger eigenmächtig ermittelt hätten; zudem sei der Bericht untauglich gewesen, sagte er. Diese Bewertung und Jungs Aussage, dass ihn der damalige Generalinspekteur Wolfgang Schneiderhan und Staatssekretär Peter Wichert stets zuverlässig informiert hätten, dürften für Guttenberg noch zum Problem werden. Denn der hatte die beiden hohen Beamten Ende November genau mit der Begründung entlassen, dass sie ihm den Feldjägerbericht "vorenthalten" hätten. Außerdem erzählte Jung, dass er seinem Nachfolger bei der Amtsübergabe Ende Oktober sogar erzählt habe, dass es mehrere Untersuchungen gebe und nicht nur den Nato-Bericht, der kurz danach fertig wurde.

Nach zu Guttenberg ist gestern aber auch das Kanzleramt in den Fokus der Untersuchung gerückt. Es bestätigte gestern Meldungen, wonach es bereits am Morgen des 4. September eine interne Mail in seiner für die Nachrichtendienste zuständigen Abteilung gab, in der es unter der Überschrift "Menschenmassen sterben bei Explosion in Afghanistan" hieß: "Zahlreiche Zivilisten ums Leben gekommen (Zahlen variieren von 50 bis 100)". Es habe sich um eine "unverbindliche Erstinfo" des Bundesnachrichtendienstes gehandelt, hieß es im Presseamt. Ließen also der damalige Kanzleramtschef und heutige Innenminister Thomas de Maizière oder gar Bundeskanzlerin Angela Merkel (beide CDU) selbst Jungs Ministerium an dem Freitag und noch bis zum folgenden Sonntag wider besseres Wissen öffentlich mitteilen, dass es keine zivilen Opfer gab? Und wenn ja, warum? "Wir haben zahlreiche Fragen, auch an die Kanzlerin", sagte SPD-Obmann Rainer Arnold gestern. Die Sache Kundus ist noch lange nicht ausgestanden.

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