Justitia macht klar Schiff

TRIER/KELBERG. In einem kleinen Eifel-Ort in der VG Kelberg dürfte langsam wieder Ruhe einkehren: Ein inzwischen 64-jähriger Mann, der dort über Jahre Kinder und Jugendliche sexuell missbraucht hatte, ist nun rechtsgültig verurteilt.

Das Verfahren - es hatte im November 2003 begonnen - stand unter keinem guten Stern. Obwohl die 1. Jugendstrafkammer am Trierer Landgericht schnell zu einem Schuldspruch kam: Sie befand, der Angeklagte habe von 1994 bis 2000 vier Jungen in 22 Fällen sexuell missbraucht. 16 Fälle wurden als schwer eingestuft, vor allem wegen des kindlichen Alters - eines der Opfer war zu Beginn gerade mal acht. Mit unmittelbarer Gewalt war der frühere selbständige Kaufmann nie vorgegangen; er hatte die Jungs aus dem Dorf mit teuren Geschenken gelockt. "Was muss ich dafür tun?", fragte eines der Opfer. "Stillhalten", lautete die Antwort. Sechs Jahre und drei Monate Gefängnis lautete die Quittung des Gerichts in der ersten Instanz. Der Verurteilte legte Revision ein, und weil keine Fluchtgefahr bestand, blieb er auf freiem Fuß - sein gutes Recht, so lange ein Urteil nicht rechtskräftig ist. Problematisch war in diesem Fall nur, dass er weiter unmittelbar neben einem seiner Opfer wohnte, und es sogar beleidigte.Schnitzer in der ersten Instanz

Ein unerträglicher Zustand, der freilich bald ein Ende gefunden hätte, wäre beim erstinstanzlichen Verfahren kein Schnitzer passiert. Man hatte das Alter eines der Opfer zum Tatzeitpunkt falsch angenommen. Und weil es für die Einstufung einer Sexualtat von erheblicher Bedeutung ist, ob das Opfer 14 oder 15 Jahre alt ist, musste der Bundesgerichtshof als Revisionsinstanz Teile des Urteils zurückweisen und einer anderen Kammer des Trierer Landgerichts zur Neuverhandlung übertragen. So blieb der Täter weiter auf freiem Fuß. Das Verfahren verzögerte sich weiter, weil eines der Opfer nicht bereit war, an der Erstellung eines psychologischen Gutachtens mitzuwirken. Um überhaupt weiter zu kommen, trennte die neue Kammer das Verfahren in zwei Komplexe. Im Dezember konnte man einen davon abschließen - mit einer Verurteilung zu fünf Jahren und drei Monaten. Aber auch hiergegen legte der Verurteilte wieder Revision ein. Der Zustand vor Ort blieb bis ins neue Jahr. Dann fand die Justiz endlich einen formaljuristisch tragfähigen Dreh, um den Haftbefehl doch zu vollstrecken. Nach zweiwöchiger Haft zeigte sich der 64-Jährige gestern bei der Verhandlung des restlichen Tatkomplexes weit kooperativer als zuvor. Er räumte mehrere der angeklagten Taten ein - andere ließ die Staatsanwaltschaft fallen. So blieb den Opfern eine weitere Aussage vor Gericht erspart. "Das wird ihnen angerechnet", versprach Richterin Irmtrud Finkelgruen. Fünf Monate schlug die Kammer letztlich noch auf das Urteil vom Dezember auf: Eine Gesamtstrafe von fünf Jahren und acht Monaten hatten auch Anklage und Verteidigung beantragt. Immerhin fünf Monate weniger als in der ersten Instanz. Der Verurteilte nahm den Spruch diesmal an und zog gleichzeitig auch seine Revision gegen das Dezember-Urteil zurück. Er wird die nächsten Jahre im Gefängnis zubringen.

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