Wirtschaft Kapitäne der Landstraße, Knechte der Logistik

Trier · Es ist schwer geworden, LKW-Fahrer zu finden. Denn der Job ist ziemlich belastend und auch nicht gerade gut bezahlt. Dennoch gibt es Männer, die ihn lieben.

 Voll besetzt ist am 01.05.2014 ein LKW-Parkplatz an der Autobahn-Raststätte Michendorf (Brandenburg). Foto: Ralf Hirschberger/dpa-Zentralbild/dpa +++(c) dpa - Bildfunk+++

Voll besetzt ist am 01.05.2014 ein LKW-Parkplatz an der Autobahn-Raststätte Michendorf (Brandenburg). Foto: Ralf Hirschberger/dpa-Zentralbild/dpa +++(c) dpa - Bildfunk+++

Foto: dpa/Ralf Hirschberger

Fernfahrer: Früher nannte man sie respektvoll Kapitäne der Landstraße. Der Fahrtwind schenkte ihnen Freiheit und hinter der nächsten Kurve wartete ein Abenteuer.

Wer heute an LKW-Fahrer denkt, sieht vor seinem geistigen Auge Männer aus aller Herren Länder, die auf lauten und völlig überfüllten Parkplätzen gelangweilt vor ihren Trucks sitzen, weil sie trotz enormen Termindrucks gezwungen sind, ihre vorgeschriebenen Ruhezeiten einzuhalten. Auf Gaskochern blubbern Fertigsuppen. Wer kann sich schon das völlig überteuerte Raststättenessen leisten? Aber immerhin gibt es ein Klo.

Das Image des LKW-Fahrers hat in den vergangenen Jahren stark gelitten. Trotzdem liebt Volker Müller seinen Job. In einem silberglänzenden Tankwagen fährt er Wein für die Traben-Trarbacher Spedition GTS Logistik durch ganz Deutschland. „Ich bin ein freier Mann. In einer Halle könnte ich nicht arbeiten“, sagt er. Auch, dass man bei der Arbeit mitdenken muss, dass man das „Gehirn nicht an der Werkspforte abgibt“, gefällt ihm. Schon seit 25 Jahren sitzt er hinterm Steuer.

Zeit, in der er viele junge Kollegen aufgeben sah. Er habe ihnen schon vorher gesagt: „Leute, denkt dran: Ihr habt ’ne Frau zu Hause. Die muss mitspielen. Sonst hat das keinen Sinn.“ Müller ist seit 33 Jahren verheiratet – und seine Frau spielt mit. „Es war uns vorher klar, dass ich die ganze Woche weg bin“, sagt er.

Auch dass das Wochenende am Freitagabend beginnt, ist keineswegs garantiert. Viele Jüngere hätten ein Problem damit, erst samstags heimzukommen. Wer Pech hat, muss wegen der vorgeschriebenen Ruhezeiten 30 Kilometer vorm Ziel im LKW übernachten. Müller kann in solch einem Fall einen Kollegen anrufen, der ihn dann abholt. „Das ist das große Plus bei uns“, sagt der 58-Jährige, der mit seinem Arbeitgeber sehr zufrieden ist.

Der Berufsfahrer hat aber auch schon Speditionen gesehen, die ihre Fahrer ausbeuten. „Und auf einmal gibt es die Firmen nicht mehr, weil sie keine Leute mehr bekommen.“ LKW-Fahrer sind schließlich gefragt.

Viele Logistikunternehmen sorgen sich ernsthaft, wer in Zukunft für sie Waren transportieren soll. „Es ist schwierig, Nachwuchs zu generieren“, sagt Müllers Chef Jerry Bodry, dessen mittelständisches Unternehmen etwa 50 Mitarbeiter beschäftigt. Der LKW-Führerschein koste „unglaublich viel Geld“. Die Bundeswehr ist als Ausbilder ausgefallen. Staus und Terminstress machen den Job anstrengend, zumal sich die Arbeitszeiten manchmal schwer mit dem Privatleben vereinbaren lassen. Und reich wird man auch nicht. Analysen zeigen, dass LKW-Fahrer, die mehr als 40 000 brutto im Jahr verdienen, die absolute Ausnahme sind. Die meisten haben weniger als 30 000 Euro.

„Ich habe Leute, die in Rente gehen. Und es ist nicht so, als würde täglich die Türe aufgestoßen, weil jemand für uns fahren will“, sagt Jerry Bodry. Da müsse man sich jetzt schon Gedanken machen. Seine Firma versuche daher, es den Mitarbeitern so angenehm wie möglich zu gestalten.

Dass Ladungen wegen Fahrermangels stehenbleiben, passiere ihm nicht, sagt Bodry. Aber wenn der eigene Fuhrpark bereits ausgelastet ist, sei es viel schwieriger geworden, Subunternehmen zu finden. Insbesondere für Teilladungen. Denn viele kleinere Speditionen aus der Region seien in den vergangenen Jahren verschwunden.

Auch Thomas Mutsch von der MTB Logistik in Bitburg hat selbst keine Probleme, die Waren von A nach B zu bringen. Anders sehe das bei jenen Betrieben aus, die keinen eigenen Fuhrpark haben, weil sie auf Subunternehmer setzen. „Da bleiben Ladungen liegen“, sagt er. Im Lebensmittelbereich sei das ein Thema.

Kleinere Betriebe haben größere Probleme: „Klar bleiben LKW stehen. Das passiert überall“, sagt ein Spediteur aus der Region, der anonym bleiben möchte. „Ja natürlich bleibt mal ne Fuhre stehen. Das Problem betrifft jeden“,  bekräftigt ein anderer. Das bedeutet auch: Die Lieferketten leiden jetzt schon unter der Lage. Dass die beiden Unternehmer ihre Namen nicht in der Zeitung lesen wollen, ist logisch. Wer würde ihnen schon einen Auftrag erteilen, wenn unklar ist, ob die Ware pünktlich von A nach B kommt.

Wegen der vielen osteuropäischen Speditionen habe es bisher genügend LKW-Fahrer gegeben. „Aber jetzt kippt das Ganze“, sagt einer der anonymen Spediteure. Denn  je besser es den osteuropäischen Ländern geht, desto weniger Menschen haben ein Interesse daran, ihren Arbeitsalltag auf verstopften Straßen fernab der Familie zu verbringen. Oder sich an Laderampen schlecht  behandeln zu lassen.

Der Umgangston missfällt auch Volker Müller. Bei den großen Discounterlagern sei es besonders schlimm.

„Da wirst du wie das Letzte behandelt“, sagt er. Sei man zu früh, werde man in ruppigem Ton weggeschickt und müsse manchmal stundenlang warten. Sei man zu spät, weil man im Stau stand, dann heiße es: Dein Zeitfenster ist abgelaufen. Einen ganzen Tag und eine ganze Nacht habe man ihn mal warten lassen.

„Das ist nicht schön. Da muss man die Ruhe bewahren“, sagt er. Seinen Job gibt der 58-Jährige dennoch so schnell nicht auf. „Ich bin zufrieden. Wenn ich gesund bleibe, mache ich noch ein bisschen“, sagt Müller. Schenkt der Fahrtwind ihm doch immer noch die Freiheit.

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