Kaputte Seelen

Die Zahlen sind erschreckend: 37 Prozent aller Frauen haben in ihrem Leben schon einmal körperliche Gewalt erlebt, zumeist vom Partner. Bei den Migrantinnen sind es sogar 46 Prozent. Jede siebte Frau wird Opfer sexueller Übergriffe. Die Kinder erleben Gewalt häufig mit und werden davon nicht selten ein Leben lang geprägt.

Berlin. Familienministerin Ursula von der Leyen nannte diese Daten gestern bei der Vorstellung des zweiten Aktionsplans der Bundesregierung gegen solche Übergriffe. Die rot-grüne Regierung hatte 1999 mit dem ersten Aktionsplan das bis dahin vor allem in der Frauenbewegung diskutierte Thema zur Staatsaufgabe gemacht. Sie beschloss auch zwei rechtliche Weichenstellungen, die selbst die CDU-Politikerin von der Leyen gestern als "Meilenstein" lobte: Im Jahr 2000 das Verbot der körperlichen Züchtigung von Kindern. Seitdem sei der Satz, ein Klaps habe noch niemanden geschadet, fast völlig verschwunden, stellte von der Leyen zufrieden fest. 2002 folgte dann das Gewaltschutzgesetz, das den Grundsatz verwirklichte: Wer schlägt, muss gehen. Nicht die Opfer müssen vor dem Täter in ein Frauenhaus flüchten, sondern die schlagenden Männer müssen jetzt raus aus der Wohnung. Die Große Koalition legte bereits Gesetze gegen das sogenannte Stalking, das Nachstellen von Menschen, nach, ebenso stufte sie Zwangsverheiratungen im Strafgesetzbuch als besonders schweren Fall der Nötigung ein. Allerdings sind Gesetze nur geduldiges Papier, solange die Betroffenen von ihren Rechten wenig wissen und die staatlichen Stellen nicht konsequent und koordiniert handeln. Das soll der Aktionsplan, der 130 zum großen Teil schon bekannte Maßnahmen zusammenfasst, ändern. Von der Leyen möchte Gewalt vorbeugen, aufklären und eine "Kaskade" der Hilfe erreichen. Nach einer Gewalttat gebe es eine Phase von etwa 14 Tagen, in der die Frau stark traumatisiert sei und Hilfe brauche, bevor sie sich anders mit der Situation einrichte, sagte sie. Schon der Polizist, der die Gewalttat feststelle, müsse die Kette in Gang setzen. Vor allem setzt der Aktionsplan auf Aufklärung. Das reicht von einer neuen Online-Plattform in Türkisch (Infos zur Strafbarkeit von Zwangsverheiratungen) über Integrationskurse bis hin zu Fortbildungsveranstaltungen für Ärzte. "Der blaue Fleck am Auge kann noch andere Ursachen haben. Aber wenn dann auch noch ein blauer Fleck am Rücken da ist, müssen die Alarmglocken schrillen", nannte von der Leyen, selbst Ärztin, als Beispiel. Auch schärfere Gesetze werden geprüft. So sollen künftig Strafen gegen die Freier von Zwangsprostituierten verhängt werden. Das Schutzalter für Prostituierte soll von 16 auf 18 Jahre angehoben werden. Wenn Kinder Zeugen oder Opfer von häuslicher Gewalt werden, sollen familiengerichtliche Schritte leichter möglich sein.

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