Karl-Marx-Jubiläum Der Philosoph polarisiert

Trier/Mainz · Seit 100 Tagen besuchen Gäste aus aller Welt die Karl-Marx-Ausstellungen in Trier. Und, wie läuft’s?

 Eine Besucherin der Karl-Marx-Ausstellung im städtischen Museum Simeonstift. Insgesamt 80 000 Gäste haben bislang Trier besucht, weil sie Karl Marx sehen wollten.

Eine Besucherin der Karl-Marx-Ausstellung im städtischen Museum Simeonstift. Insgesamt 80 000 Gäste haben bislang Trier besucht, weil sie Karl Marx sehen wollten.

Foto: Friedemann Vetter

Der Karl kann’s: Seit 100 Tagen lockt der Philosoph mit seinem 200. Geburtstag die Besucher aus allen Kontinenten nach Trier. Doch Marx bleibt umstritten. Egal, ob es um seine Rolle in der Geschichte geht – oder um seinen Erfolg in den Ausstellungen. Eine Bilanz der ersten 100 Tage bei den ...

... Gästen: 80 000 Besucher strömten bislang nach Trier, weil sie Karl Marx sehen wollten: 45 000 Gäste gingen in die Landesausstellungen im Rheinischen Landesmuseum und Stadtmuseum, 29 000 ins Geburtshaus des Philosophen und 6000 ins Museum am Dom. Wissenschaftsstaatssekretär Salvatore Barbaro sagt: „Unser Konzept ist aufgegangen.“ Wirklich? Als ein Journalist bei Barbaro nachhakt und sagt, er höre unter der Hand Enttäuschung über die Zahlen heraus, widerspricht der SPD-Politiker. Mit den Besucherzahlen sieht Barbaro die Ausstellungen auf einem guten Weg, das Budget zu erfüllen, auch wenn er trotz wiederholter Nachfrage nicht antwortet, wie viele Gäste das Land genau anstrebt. Den Vergleich mit Nero habe das Marx-Jubiläum nicht gesucht, sagt Barbaro, der den heißen Sommer und die Fußball-WM als Argumente ins Rennen führt, warum viele Menschen noch nicht die Museen besucht haben. „Wir wissen im Vorfeld auch nicht, wie sich die Leute auf die Standorte aufteilen und ob sie nach einem Besuch im Karl-Marx-Haus noch zu den Museen weiterziehen.“ Das Geburtshaus des Philosophen darf bislang jubeln: 230 Führungen zählte Leiterin Elisabeth Neu bereits seit Mai, wo es im ganzen Jahr 2016 noch 250 waren. Besonders bei Chinesen komme das Geburtshaus an, mehr als 2600 Gäste aus Fernost zählte Neu bereits in diesem Jahr. „Viele Menschen schreiben in die Gästebücher, sie hätten ihr ganzes Leben für die Reise gespart. Den Schub an Popularität wollen wir mit in die Zukunft nehmen“, sagt Neu. Der Trierer Kulturdezernent Thomas Schmitt rechnet bis Ende Oktober noch mit einem Schub an Besuchern in allen Ausstellungen. „Gerade in der Region haben wir die Erfahrung gemacht, dass viele Menschen erst in den letzten Wochen zu den Ausstellungen strömen.“ Nach Angaben von Schmitt kommen bislang 80 Prozent aller Besucher nicht aus Trier und Umgebung.

... Inhalten: Beatrix Bouvier, wissenschaftliche Leiterin der Landesausstellung, erlebt einen ständigen Spagat, wenn Besucher durch die Museumsräume wandern. „Manche Gäste verstehen sich als stramme Marxisten und sagen, wir wollen Marx entzaubern.“ Kritiker des Philosophen konfrontierten sie damit, Marx „weichzuspülen“. Bouvier beharrt darauf, in den Ausstellungen kein Urteil in die Welt setzen zu wollen. Salvatore Barbaro sagt, es gehe nicht darum, Marx zu glorifizieren, ihn aber von ideologischem Ballast zu befreien und in seinem historischen Kontext darzustellen. Kritiker stören sich dagegen auch nach 100 Tagen an den Ausstellungen – und der Statue. Dieter Dombrowski, Bundeschef der Vereinigung der Opfer des Kommunismus, klagt: „Alle osteuropäischen Staaten lachen uns aus, weil wir dem Wegbereiter der kommunistischen Diktaturen ein Standbild setzen, der darüber hinaus ein extremer Antisemit war.“

 Eines der beliebtesten Exponate der Karl-Marx-Ausstellungen: „Das Kapital“, das im Rheinischen Landesmuseum zu sehen ist.

Eines der beliebtesten Exponate der Karl-Marx-Ausstellungen: „Das Kapital“, das im Rheinischen Landesmuseum zu sehen ist.

Foto: Friedemann Vetter
Vor allem bei Gästen aus China ist das Karl-Marx-Haus beliebt. Hier im Bild ist eine Marx-Skulptur zu sehen.

Vor allem bei Gästen aus China ist das Karl-Marx-Haus beliebt. Hier im Bild ist eine Marx-Skulptur zu sehen.

Foto: Friedemann Vetter

... Touristikern: Hans-Albert Becker, Prokurist der Trier Tourismus und Marketing GmbH, frohlockt dagegen: „Die Ausstellung und die Statue haben weltweit für Furore gesorgt.“ Und auch Marx-Artikel gehen weg wie warme Semmeln, sagt er. Der Null-Euro-Geldschein mit Marx sei bereits mehr als 100 000 Mal verkauft worden, über den Online-Shop liefen reihenweise Bestellungen aus China ein. Bei Ebay werde der drei Euro teure Schein schon deutlich höher gehandelt. „Auch Marx-Wein und -Magnete kommen gut an“, sagt Becker, der in den kommenden Wochen noch mit steigendem Interesse an der Ausstellung rechnet: „Jetzt beginnt die Zeit, wo Reisegruppen und Vereine mit Bussen zu Städtetouren fahren.“

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort