Kehrtwende im Kampf gegen käuflichen Sex

Paris · Statt Prostituierten drohen in Frankreich künftig Freiern drastische Strafen. Nach deutlicher Mehrheit in der Nationalversammlung muss sich nun der Senat des umstrittenen Themas annehmen.

Paris. Mit deutlicher Mehrheit hat die französische Nationalversammlung umstrittene neue Regelungen zur Prostitution auf den Weg gebracht.
In erster Lesung stimmten am Mittwoch in Paris 268 Abgeordnete dafür, Freier künftig für gekauften Sex zu bestrafen. 138 Parlamentarier votierten gegen das Gesetz, das gleichzeitig Prostituierte straffrei stellen soll. Bei der Abstimmung über die aus den Reihen der Abgeordneten stammende Initiative gab es 79 Enthaltungen.
Freier müssen nun mit bis zu 1500 Euro Strafe rechnen, wenn sie Sex kaufen. Im Wiederholungsfall sind 3750 Euro fällig. Die Prostituierten selbst sollen dagegen nicht mehr verfolgt werden. Mit den neuen Regelungen wird sich nun der Senat befassen, die zweite Kammer des Parlaments. Einen Termin dafür gibt es noch nicht.
Frauenrechtsministerin Najat Vallaud-Belkacem sprach nach der Annahme des Gesetzentwurfes von einem "langen Weg voller Tücken bei jedem Schritt".
Mit der Kehrtwende im Kampf gegen käuflichen Sex soll sich die Gesetzgebung Frankreichs künftig gegen die Freier und damit gegen die Männer richten. Bisher sind nur Prostituierte von Strafen bedroht, auch wenn Prostitution selbst eigentlich erlaubt ist. Dennoch drohen den Frauen bisher bei Anwerbung von potenziellen Freiern bis zu zwei Monate Haft oder 3750 Euro Geldstrafe. Diese Regelung soll gleichzeitig mit dem neuen Gesetz abgeschafft werden.
In Deutschland planen Union und SPD in einer großen Koalition eine Reform des Prostitutionsgesetzes. Der Ansatz ist weniger radikal als in Frankreich: Schwarz-Rot will eine stärkere Kontrolle der Bordelle, zusätzliche Beratungsangebote für Prostituierte und eine bessere Unterstützung für die Opfer von Zwangsprostitution.
In Frankreich sorgt das Vorhaben quer durch die Parteienlandschaft für heftige Debatten. Auch Prominente engagieren sich auf beiden Seiten. Organisationen von Prostituierten befürchten, mit dem Gesetz könnte das Gewerbe in die Illegalität abgedrängt werden. Das könnte dann die Arbeit für die betroffenen Frauen gefährlicher machen.
Verlässliche Angaben über die Zahl der Prostituierten in Frankreich gibt es nicht. Nach einem Parlamentsbericht könnten es zwischen 20 000 und 40 000 sein. Viele Frauen stammen aus Osteuropa, Asien, Afrika und Lateinamerika.
Extra

Das deutsche Prostitutionsgesetz kann nach Einschätzung der SPD-Bundestagsabgeordneten Eva Högl bereits Anfang des kommenden Jahres reformiert werden. Im Südwestrundfunk (SWR) sagte Högl am Mittwoch, Union und SPD seien sich über die Überarbeitung des Strafrechts einig. Vorgesehen ist unter anderem, Kunden von Zwangsprostituierten zu belangen (siehe TV-Mittwochausgabe). Wichtig ist nach Högls Worten eine Trennung zwischen legaler und illegaler Prostitution. Als völlig falschen Weg bezeichnete es die Politikerin, Prostitution komplett in die Illegalität zu drängen. Notwendig sei Opferschutz. Opfer von Menschenhandel und Zwangsprostitution bräuchten Beratung, Aufklärung und ein verbessertes Aufenthaltsrecht. Zudem seien "neue Ansätze bei der Bekämpfung von Menschenhandel" notwendig. Täter müssten wirksam bestraft werden. KNA

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