Kein Anlass für Horror-Szenarien

MAINZ. Bürgermeister und Landräte sehen den Bevölkerungsrückgang kommender Jahrzehnte in Rheinland-Pfalz zwar eher als Risiko denn als Chance. Laut einer wissenschaftlichen Studie herrscht gleichwohl mehr Optimismus als Pessimismus bei den Kommunen.

Überalterung und Bevölkerungsrückgang treiben den Bürgermeistern (noch) keine Sorgenfalten ins Gesicht. Sinkenden Kinderzahlen wollen sie laut einer Umfrage nicht mit drastischen Mitteln, wie etwa der Schießung von Kindergärten, begegnen, sondern die Qualität ausbauen.Fotos: Friedemann Vetter

Die Umwälzungen des demographischen Wandels sind gravierend: Erst nimmt die Alterung der Bevölkerung drastisch zu, dann sinkt wegen anhaltender niedriger Geburtenrate die Einwohnerzahl um rund ein Fünftel im Land. Dieser Wandel ist aus Sicht der Kommunal-Chefs nicht aufzuhalten, doch er muss gestaltet werden, um die negativen Folgen möglichst aufzufangen, wie 154 Oberbürgermeister, Landräte und Bürgermeister in einer Befragung für eine 50 000 Euro teure wissenschaftliche Studie im Auftrag der Staatskanzlei zu Protokoll gaben.

Weiche Standortfaktoren gewinnen an Bedeutung

Um die befürchtet Abwanderung vor allem in den stärker betroffenen ländlichen Regionen zu bremsen, müssen nach ihrer Auffassung vor allem Verkehrsinfrastruktur stimmen, Arbeitsplätze angeboten und Baugebiete ausgewiesen werden. Doch auch so genannte "weiche" Standortfaktoren wie Landschaft, Erholungswert und Kulturangebote gewinnen demnach zunehmend an Bedeutung. Zwar werden je nach Region die Auswirkung von Alterung und Bevölkerungsrückgang, die vor allem Westpfalz und Teile von Eifel und Hunsrück trifft, nach Angaben von Professor Stefan Hradil (Uni Mainz) unterschiedlich bewertet. Doch unstrittig ist, dass es Probleme für die kommunale Infrastruktur von Kindergarten und Schule bis zu Entsorgungsbetrieben geben wird.Auf eine sinkende Kinderzahl soll jedoch nicht unmittelbar mit dem Abbau von Einrichtungen reagiert werden, sondern vor allem mit ausgebauten Angeboten und verbesserter Betreuung, die neben den Bildungsmöglichkeiten für künftige Entwicklungschancen der Kommunen maßgeblich sein werden. Verstärkt einsetzen wollen sich die Gemeinden für generationenübergreifendes Wohnen.Überrascht hat die Wissenschaftler laut Hradil, dass die Kommunalpolitiker entgegen der Auffassung vieler Experten in der Zuwanderung kein nennenswertes Lösungspotenzial sehen. Ihnen scheinen die Risiken und Probleme mit Zuwanderern relativ groß. Dabei seien die Vorbehalte im Westen des Landes am stärksten, so Hradil.Erheblich an Bedeutung gewinnt aus Überzeugung der Rathaus-Chefs auch das ehrenamtliche Engagement für die soziale Sicherung und das Miteinander der Generationen. Gefordert ist von den Kommunen der Abschied vom Kirchturmdenken und mehr Kooperation. Zwar gibt es die Einsicht, dass Folgen sinkender Einwohnerzahlen für die Verwaltungsstrukturen unausweichlich sind. Die jeweils eigene Entscheidungsebene bleibt nach Hradils Angaben bei Einsparvorschlägen jedoch außen vor. Der demographische Wandel bietet nach Überzeugung des Chefs der Staatskanzlei, Staatssekretär Martin Stadelmaier, kein Anlass für "Horror-Szenarien".Experten stuften Rheinland-Pfalz nach Bayern und Baden-Württemberg mit den drittbesten Zukunftschancen ein. Das Land setzt auf die Förderung von Familien, Kindern und Bildung.

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