Kein Interesse am Geld in der früheren CDU-Fraktion

Mainz · Im Untreueprozess gegen Ex-CDU-Landeschef Christoph Böhr werden im Gerichtssaal alte politische Feindschaften lebendig. Herauszufinden, wer welches Süppchen kocht, erschwert dem Gericht die Wahrheitsfindung.

Mainz. Josef "Seppl" Keller hat früher im Landtag oft mit hochrotem Kopf die Bildungspolitik der Landesregierung attackiert. Im Landgericht Mainz soll sich der 64-Jährige gestern als Zeuge erinnern, wie das damals mit den Finanzen der CDU-Fraktion war. Schließlich hat er viele Jahre lang als ehrenamtlicher Rechnungsprüfer der Fraktion fungiert. Ihm sind aber jene Unregelmäßigkeiten 2005/2006 nicht aufgefallen, die zum Prozess geführt haben.
386 000 Euro wurden damals von der Fraktion an die Agentur C4 überwiesen. Strittig ist, ob für dieses Geld (zumindest teilweise) die Fraktion beraten wurde, wie die Angeklagten behaupten, oder die Partei im Wahlkampf, wie die Staatsanwaltschaft glaubt. Dann ginge es um illegale Parteienfinanzierung und Untreue.
"Jetzt kann man ja so oder so prüfen", sagt der Vorsitzende Richter Hans E. Lorenz. "Wie haben Sie denn geprüft?" Keller hat stichprobenartig nach signifikanten Abweichungen zum Vorjahr geschaut, erzählt er. Aufgefallen seien ihm zwar hohe Aufwendungen für Veranstaltungen, "aber das war eigentlich normal".
Der damalige Fraktionsgeschäftsführer Markus Hebgen habe "uns auf Nachfrage immer plausible Antworten gegeben", berichtet der Zeuge. Die Ergebnisse der Prüfung seien der Fraktion in einem schriftlichen Sprechvermerk vorgetragen worden. Danach sei diskutiert und Entlastung erteilt worden. "Allzu groß war das Interesse nicht." Pflichtübung abgehakt, Verantwortung auf der Fraktionsführung abgeladen, beschreibt Keller und sieht darin das "Grundübel" der damaligen Zerrissenheit und mangelnden Disziplin der Fraktion widergespiegelt.
Richter Lorenz will von Keller wissen, wer Böhr-Befürworter und -Gegner war. Er verweist auf Zeugenaussagen, die für das Gericht interpretationswürdig seien. Der Zeuge lächelt. Eine Antwort gibt er nicht. "Nachher sagt einer, ich war\'s nicht. Das Risiko will ich nicht eingehen. Ich will meinen Ruhestand genießen."
Landtagsvizepräsident Heinz-Hermann Schnabel, von 2001 bis 2006 CDU-Fraktionsvize, weist zurück, dass die falsche Verwendung von Fraktionsmitteln ein offenes Geheimnis gewesen sei. Er habe auch von einer bedrohlichen Finanzlage nichts gewusst. Ebenso wenig von der Agentur C4 und einem Auftrag an diese.
Selbiges hatte Schnabel zuvor schon in einer Eidesstattlichen Versicherung erklärt. An eine Klausurtagung, bei der Landesvorstand und Fraktion Anfang 2005 über die Arbeit von C4 und deren Inhaber Carsten Frigge laut Aussagen etlicher Zeugen unterrichtet wurden, kann sich Schnabel ebenfalls nicht erinnern. Auf Nachfrage von Frigges Verteidiger hält Schnabel daran fest, der Inhalt der Versicherung sei korrekt und vollständig.
Eine große Rolle spielt vor Gericht auch diesmal wieder die damalige Kampagne "Baustelle Rheinland-Pfalz". Frigge hatte diese entworfen, dafür soll den Angeklagten zufolge im Wesentlichen das Geld geflossen sein. Schnabel erinnert sich an etliche große Veranstaltungen, ebenso die Zeugen Keller, CDU-Pressesprecher Olaf Quandt und Helmut Klappheck, wissenschaftlicher Referent der Fraktion.
Klappheck sind die früheren "heftigen und spürbaren Konflikte" noch präsent. Der Bedarf für eine kontinuierliche Beratung sei da gewesen. Einmal habe er mitbekommen, wie Christoph Böhr beschieden worden sei: "Du verzichtest auf alle deine Ämter, sonst machen wir dich platt."

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