Kein Spielraum beim Gericht

TRIER. Der Kinderschutzdienst (KSD) bietet Prozessbegleitung für Kinder und ihre Angehörigen. Wenn es um Fälle sexuellen Missbrauchs oder körperlicher Gewalt geht, ist Fingerspitzengefühl im Höchstmaß gefordert. Ein Spielzimmer, in dem Kinder im Gericht Wartezeiten überbrücken können, gibt es nach dem Umbau nicht mehr.

Wenn Ruth Streit-Stifano gerufen wird, brennt es meistens. Seit vielen Jahren vertritt die Saarburger Rechtsanwältin die Rechte von Opfern in Sexualdelikten verschiedener Art. Auch Kinder gehören zu ihren Klienten. Es geht um sexuelle Missbrauchsfälle oder um körperliche Misshandlungen, die sie häufig in Kooperation mit dem Kinderschutzdienst begleitet. Wie bei Eva (Name geändert). Das neunjährige Mädchen lebt in einer intakten Familie und wird eines Tages von einem Bekannten der Familie missbraucht. Das Mädchen vertraut sich nach einer Weile seinen Eltern an. "Und die stehen dann da, sind aus der heilen Welt gerissen", sagt Streit-Stifano. In einem Gespräch der Eltern mit der Anwältin wird besprochen, was auf das Kind im Falle einer Anzeige zukommt, dass es psychisch stabil sein muss, welche Rechte es hat, dass möglicherweise ein aussagepsychologisches Gutachten erstellt wird, es mit mehreren, belastenden Vernehmungen rechnen muss. Auch der Kinderschutzdienst bietet diese Beratung in Räumen des Kinderschutzbunds an. Die Prozessbegleitung des KSD bedeutet, zu dem Kind - falls es das wünscht - eine vertrauensvolle Beziehung aufzubauen und die Belastung abzuarbeiten, sagt Diplom-Pädagogin Kirsten Erdtmann. Dazu gehören Gespräche, um Schwellenängste vor der Polizei abzubauen. Oder auch das altersgerechte Betrachten eines Bilderbuchs, um die Situation in einem Gerichtssaal zu verdeutlichen. Oder das Aufbauen von Szenarien, um die Position der Verfahrensbeteiligten zu erklären - mit Kuscheltieren. Der Eindruck von Gewalt und Ohnmacht

Kommt es zur Anzeige, ist in der Vorbereitung auf die Hauptverhandlung viel Verständnis für das Kind vonnöten, sagt Streit-Stifano. Die Kinder dürften sie duzen oder hätten zwischen Gesprächen auch mal im Garten eine Blume gepflückt. Manchmal liegt mehr als ein Jahr zwischen Anzeige und Gerichtsverhandlung. "Dann haben die Kinder oft sehr viel Angst. Denn der letzte Eindruck von dem Täter war Gewalt und Ohnmacht." Als Vertreterin der Nebenklage sorgt die 53-Jährige dafür, dass das Kind als Zeuge nicht zu lange warten muss. Zur Überbrückung der Wartezeit dienen auch die Räume des Kinderschutzbunds. Denn ein Kinderzimmer mit kompletter Ausstattung fiel den Umbaumaßnahmen zum Opfer und ist jetzt im Saarburger Amtsgericht. "Das Amtsgericht Trier braucht keines", konstatiert Streit-Stifano sarkastisch. Bei der Verhandlung das Kind trösten, den Rücken streicheln oder zuflüstern "Du machst es gut, gleich hast du es gepackt!" ist für die Anwältin selbstverständlich - sofern das Kind die Nähe will. "Bei der Verhandlung reißen sich viele sehr zusammen", weiß Erdtmann, "Tränen fließen oft erst später." Ein Eis zusammen essen gehen, irgendwas Schönes nach der Verhandlung unternehmen: Auch das gehört für den KSD zur Prozessbegleitung. Ein Haus zu realisieren, in dem Kinder Schutz in besonderen Situationen finden, ist für Expertin Streit-Stifano ein großes Anliegen. "Wie Frauen ein Frauenhaus brauchen Kinder eine Stelle, wo sie sicher sind, besonders, wenn der Missbrauch zu Hause stattfindet." Eine "Burg" mit heimeliger, kindgerechter Umgebung könnte Kindern, die Missbrauch und Gewalt erlebt haben, helfen. Betroffene Kinder fühlen sich oft innerlich schmutzig, sagt Erdtmann. Die jetzigen, in die Jahre gekommenen Mieträume in der Thebäerstraße vermitteln keinen Schutz. "Ein Haus mit einem Extraraum wäre toll. Es hätte einen Schutzcharakter nach dem Motto: Hier kann ich meine Falltüre hinter mir hochziehen!"

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