"Keine einseitigen Lasten"

MAINZ. Die geplante Gesundheitsreform darf nach Auffassung der Mainzer Sozialministerin Malu Dreyer (SPD) nicht zu einer einseitigen Kostenverschiebung zu Lasten der Versicherten führen. Ein Einfrieren der Arbeitgeberbeiträge lehnt die Ministerin, die bei den Koalitionsgesprächen in Berlin mit am Tisch sitzen wird, ab.

Der Streit um den CDU-Vorschlag eines Gesundheitsfonds hat die politischen Wellen in der Diskussion um die Gesundheitsreform hoch schlagen lassen. "Wenig hilfreich" sei der Vorstoß von Unions-Fraktionschef Volker Kauder, denn nun drehe sich die Debatte in erster Linie um das Fonds-Modell, sagt Sozialministerin Malu Dreyer im Gespräch mit dem TV. Die Triererin sieht vor allem zwei Knackpunkte, warum das umstrittene Verteilungsmodell "so nicht akzeptabel ist", auch wenn sie insgesamt für die Koalitionsgespräche im Mai optimistischer ist als bei den fruchtlosen Verhandlungen im Herbst 2005. Die Fonds-Lösung sieht vor, dass Arbeitgeber- und Arbeitnehmerbeiträge in einen Topf fließen, aus dem dann die Krankenkassen eine Pauschale für jeden Versicherten erhalten. Zusätzlich dürfen die Kassen Prämien bei Kostensteigerungen erheben. Die Absicherung der Kinder soll über Steuern finanziert werden. Es könne doch nicht allen Kassen pro Versicherten die gleiche Pauschale gezahlt werden, ohne Rücksicht auf die jeweilige Altersstruktur und den Anteil der chronisch Kranken, hält Dreyer dagegen. Noch entscheidender ist für sie jedoch: Wenn Kassen bei steigenden Gesundheitskosten nur mit höheren Versicherten-Prämien reagieren können, wird das ganze Teuerungsrisiko künftig auf die Versicherten abgewälzt, während die Beiträge der Arbeitgeber eingefroren sind. "Eine einseitige Lastenverteilung kann es nicht geben", warnt Dreyer. Zwar lehnt sie eine Fonds-Lösung nicht grundsätzlich ab. Doch die SPD will bei ihren Grundlinien bleiben und an einer solidarischen Finanzierung je nach Leistungskraft festhalten. Zudem sollen künftig auch auf Mieten und andere Einkünfte Beiträge fällig werden. Dreyer: Durchschaubare Entgeltsysteme schaffen

Neben der bereits beschlossenen Mehrwertsteuererhöhung ist nach Überzeugung der Mainzer Ministerin den Bürgern aber auch kaum noch eine zusätzliche Gesundheits-Solidarabgabe für die Kinder-Absicherung zu vermitteln. Mit einem Extra-Steuerzuschlag gebe es ohnehin keine besonders guten Erfahrungen, so Dreyer mit Verweis auf die eigens erhöhte Tabaksteuer, die inzwischen allerdings wieder dem allgemeinen Steuertopf zufließt. Wird die Kinder-Versicherung durch Steuern übernommen, bringt dies nach ihren Angaben auch eine Bevorzugung der privaten Krankenversicherung, weil der Nachwuchs bei den anderen Kassen bereits frei ist. Der Anreiz für Besserverdiener, zu den Privaten abzuwandern, würde noch stärker werden und die gesetzlichen Krankenkassen weiter schwächen, befürchtet die Ministerin. Bei der Gesundheitsreform geht es allerdings nicht nur um die Finanzierung. Durchschaubare und für die Ärzte auskömmliche Entgeltsysteme müssten geschaffen werden, fordert Dreyer und denkt dabei vor allem an die Einführung von Pauschalen und Festbeträgen für bestimmte Behandlungen. Eine Mammut-Aufgabe wartet auch mit dem seit langem eingeforderten Bürokratieabbau: Chroniker-Programme, der Risikostrukturausgleich der Kassen oder aufwändige Wirtschaftlichkeitsprüfungen in den Kliniken haben die Papierberge wachsen lassen. Bis zur Sommerpause sollen die Eckpunkte der Gesundheitsreform stehen. "Wir haben den Anspruch, ein nachhaltige Reform hinzubekommen", sagt Dreyer. Bisher galt im Gesundheitswesen jedoch stets: Kaum stand eine Reform, war die nächste schon absehbar.

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