Keine erhöhte Strahlung in der Region

Cattenom/Trier/Mainz · Die Bevölkerung ist am Freitag von Behördenseite stundenlang nicht über den Brand eines Trafos im Kernkraftwerk Cattenom informiert worden. Nach Ansicht der Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion (ADD) in Trier, die für den landesweiten Katastrophenschutz zuständig ist, war die Weitergabe von Informationen auch nicht nötig.

 Im französischen Kernkraftwerk Cattenom hat am Freitag eine Trafostation am Block 1 gebrannt. Hier die identische Trafostation von Block 4. TV-Foto: Friedemann Vetter

Im französischen Kernkraftwerk Cattenom hat am Freitag eine Trafostation am Block 1 gebrannt. Hier die identische Trafostation von Block 4. TV-Foto: Friedemann Vetter

Cattenom/Trier/Mainz. "Ziel ist es, die Bevölkerung schnellstmöglich über einen Unfall im Kernkraftwerk Cattenom zu informieren, zu schützen und ihr zu helfen." So steht es in der Broschüre "Notfallschutz für die Umgebung des Kernkraftwerkes Cattenom", herausgegeben von der Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion (ADD) in Trier. Sie ist zuständig für den landesweiten Katastrophenschutz.
Eine offizielle Information der Bevölkerung über den Brand eines Trafos in Cattenom erfolgte gestern jedoch nicht.
Das sei auch nicht nötig gewesen, sagte der für den Katastrophenschutz zuständige Mitarbeiter Heinz Wolschendorf. Bei dem Zwischenfall habe es sich um ein Ereignis gehandelt, bei dem keine Gefahr für die Bevölkerung bestanden habe.
Nachdem das Feuer gelöscht worden sei, habe auch kein mögliches Risiko mehr bestanden, sagte Wolschendorf dem TV am Freitag weiter. Eine erhöhte Strahlung in der Region sei nicht festgestellt worden. Die ADD ist nach Darstellung des Katastrophenschutz-Mitarbeiters vom rheinland-pfälzischen Energieministerium, das für den Strahlenschutz zuständig ist, informiert worden. Man könne nach Lage der Dinge nicht von einer Katastrophe sprechen, sagte auch eine Sprecherin des Ministeriums. Die französische Atomaufsicht habe kurz nach 15 Uhr über den Brand informiert, sagte sie.
Auch im saarländischen Umweltministerium war zeitgleich die Information eingelaufen. Der französische Energiekonzern EDF informiere in solche Fällen immer sehr zügig, sagte eine Sprecherin des Ministeriums in Saarbrücken.
Das rheinland-pfälzische Energieministerium hat die aus Frankreich eingetroffenen Informationen dann an das Lagezentrum des Innenministeriums in Mainz weitergegeben. Dort seien dann alle weiteren eingehenden Meldungen aus dem Nachbarland ausgewertet worden, sagte der Sprecher des Innenministeriums. Da aber der Brand nach Informationen des Kraftwerksbetreibers EDF gegen 16 Uhr gelöscht war, sah man auch im Innenministerium keine Veranlassung für weitere Maßnahmen - wie etwa die Weitergabe von Informationen an die Bevölkerung.
Kurz vor 18 Uhr gestern Abend schickte das Energieministerium dann doch noch eine Pressemitteilung. Darin berief man sich auf Informationen des Kraftwerksbetreibers und der französischen Atomaufsicht ASN. Energieministerin Eveline Lemke sehe sich durch den Vorfall in ihrer Forderung bestätigt, das "Pannen-Atomkraftwerk" abzuschalten, hieß es.
"Es gibt immer wieder Vorfälle und Störungen, und deshalb ist es höchste Zeit, dieses Atomkraftwerk an der Grenze zu Rheinland-Pfalz endlich vom Netz zu nehmen."
EDF informierte fortlaufend über den Internetdienst Twitter über den Stand in dem Kernkraftwerk. Später vermeldete der Kraftwerksbetreiber den Zwischenfall auch offiziell auf der Internetseite der Anlage. Es habe keine Gefahr bestanden, dass die Flammen auf andere Teile des Kraftwerks übergreifen könnten, war dort zu lesen. Es sei auch niemand bei dem Feuer verletzt worden.
Auch die französische Atomaufsichtsbehörde reagierte schnell. Um 15.54 Uhr informierte die ASN auf ihrer Internetseite über den Zwischenfall. Das Feuer sei schnell gelöscht worden, es habe keine Verletzten gegeben, hieß es dort. Es seien zwei Notfallstromgeneratoren bereitgestellt worden, um im Falle eines totalen Stromausfalls zu verhindern, dass die gesamte Anlage abgeschaltet werde.
Zwei Inspektoren der ASN seien noch am Freitagmittag nach Cattenom geschickt worden, um die Ursache des Brandes herauszufinden, teilte die ASN weiter mit.
Mit ersten Ergebnissen wird frühestens am Montag gerechnet.Extra

Im Jahr 2012 gab es nach dem in dieser Woche vorgestellten Bericht der französischen Atomaufsicht insgesamt 47 Vorfälle in dem lothringischen Kernkraftwerk Cattenom. 44 davon wurden mit der geringsten Stufe 0 eingestuft. Zwei Vorfälle wurden mit 1 und einer mit 2 bewertet. Nach der international gültigen Bewertungsskala für Nuklear-Zwischenfälle werden diese von null (Ereignis ohne oder mit geringer sicherheitstechnischer Bedeutung) bis sieben (katastrophaler Unfall) eingestuft. Die gravierendste Panne im vergangenen Jahr ereignete sich am 18. Januar: Ingenieure in Cattenom entdeckten, dass ein Zwei-Euro-Stück großes Ventil an den Zu- und Ablaufröhren der Lagerbecken für abgebrannte Brennstäbe fehlte - und das vermutlich schon seit Inbetriebnahme der Reaktorblöcke zwei und drei, also seit mindestens 21 Jahren. Die Becken müssen ständig mit Wasser gefüllt sein, damit es nicht zu einer Überhitzung der Brennstäbe kommt. Unabhängige Experten bezeichneten die Panne damals als bedeutenden Störfall. Cattenom sei knapp an einer Katastrophe vorbeigekommen. EDF meldete das Fehlen des Ventils der ASN, versicherte aber auf seiner Internetseite, dass dadurch keine Gefahr bestanden habe. Das fehlende Ventil am Becken sei nicht sicherheitsrelevant. Das sah die Atombehörde anders. Sie stufte den Zwischenfall nachträglich als Störfall der Stufe zwei ein. Mit dem gestrigen Brand ereigneten sich allein in diesem Jahr bereits sechs Zwischenfälle in Cattenom. Die ASN rügte die Kraftwerksverantwortlichen für den Umgang damit. Koordination und die Kommunikation seien "stark verbesserungswürdig". Auch der Strahlenschutz der Arbeiter in Cattenom müsse besser werden. wie

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