Keine Hilfe für Europas Großbaustelle

Keine Finanzhilfen für das überschuldete Griechenland. Das fordert Alfred Steinherr, Forschungsprofessor am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW). In einem Gastbeitrag für den Trierischen Volksfreund empfiehlt er eine Privatisierung von Staatsvermögen sowie eine Umstrukturierung der griechischen Staatsschuld.

Was wir gegenwärtig erleben, sollte eigentlich der Normalfall sein: Hoch verschuldete Länder zahlen auch höhere Zinsen. Die Marktteilnehmer aber haben nur begrenztes Vertrauen in ungetestete Vertragswerke. Eine Annahme, die nun getestet wird, ist, dass kein Land in der Eurozone "fallen gelassen" wird, egal wie es wirtschaftet. Diese Annahme hat Athens Politik der Überverschuldung gefördert. Eine Nichtunterstützung Griechenlands würde demonstrieren, dass der Vertrag von Maastricht mehr als nur Makulatur ist. Deutschland und der Kern der Eurozone sollten deutlich sagen, dass Athen keine finanzielle Unterstützung bekommen wird.

Würde das dem Euro schaden? Das Gegenteil ist viel wahrscheinlicher. Wenn Griechenland mit Finanzspritzen geholfen würde, müsste auch anderen Ländern geholfen werden. Dann aber gäbe es keine Schranken mehr gegen die Verschuldung, keine Reformen, und die ganze Eurokonstruktion würde zur Farce. Die größte Gefahr für den Euro ist die drohende Schwächung und sogar Überforderung der Geld gebenden Länder wie Deutschland oder Frankreich.

Außerdem: Eine finanzielle Unterstützung würde eine tief greifende Reform der griechischen Wirtschaft und der Staatsfinanzen nur erschweren. Sie würde die Politik der Überbrückungsverschuldung aufrechterhalten und allen reformunwilligen Gesellschaftsschichten den Rücken stärken. Andererseits bedeutet das von Brüssel verordnete Sparprogramm Selbstmord. 2010 soll das Defizit um vier Prozentpunkte und bis 2012 von zwölf auf unter drei Prozent verringert werden. Dies soll durch Einsparungen und erhöhte Steuereinnahmen geschehen. Das mag mittelfristig positiv wirken, kurzfristig ist es ein Wachstumskiller. Und ohne Wachstum wird die Staatsschuld zunächst sogar noch wachsen!

Griechenland hat nicht nur ein Problem hoher Staatsverschuldung.

Es hat vor allem eine sehr schwach strukturierte Wirtschaft und ein Riesenproblem der politischen Führung. Das offizielle Budgetdefizit von über 13 Prozent des Bruttosozialprodukts ist nur ein Teilaspekt. Der Gegenwert der zukünftigen Pensionszahlungen ist von größerer Bedeutung. Das Renteneintrittsalter ist in Griechenland niedriger, die Renten selbst sind höher und betragen bis zu 100 Prozent des letzten Verdienstes. Ein Ausweg besteht in der Privatisierung von staatlichem Vermögen, das ziemlich hoch ist. Privatisierung würde die Staatsschuld und die Ineffizienz verringern. Sie ist daher zu empfehlen, reicht aber nicht aus.

Die beste Lösung wäre es, die Staatsschuld zu "restrukturieren". Kurzfristig fällige Schuldverschreibungen werden dabei ersetzt durch langfristige, mit einem Zinssatz, der Reformerfolge einpreist. Sagen wir Zinsen in der Höhe der deutschen. Das Gerede von Staatsbankrott ist natürlich Unsinn, besser wäre "Vergleich". Für die Investoren ist er das geringere Übel. Ungefähr 60 Prozent der Gesamtschulden werden von ausländischen Gläubigern gehalten, die dann natürlich auch von der Restrukturierung betroffen wären. Einige griechische Banken werden große Probleme bekommen und somit auch Banken und Investoren im restlichen Europa. Der Vergleich mit Lehman Brothers ist dennoch unpassend.

Eine Umstrukturierung der griechischen Schulden ist jedenfalls keine Gefahr für den Euro. Als die Ford-Regierung eine Unterstützung in der New Yorker Schuldenkrise ablehnte, hatte dies keine Auswirkung auf den US Dollar, obwohl New York ungleich wichtiger für die USA ist. Die Eurozone hat zudem den Vorteil, dass Staatspapiere von mehr als einem Staat zur Verfügung stehen. Die wichtigsten Anker, vor allem der deutsche Staat, müssen jedenfalls voll vertrauenswürdig bleiben. Nicht als Geldgeber in der Not, sondern als zuverlässiger Schuldner.

Alfred Steinherr, Forschungsprofessor am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW)

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