"Keiner braucht Angst zu haben"

Die Ereignisse in der Silvesternacht in Köln beunruhigen auch die Bürger in der Region. Der Trie-rer Polizeipräsident Lothar Schömann warnt im TV-Interview aber vor einer übertriebenen Sorge. Die Situation sei nicht schlimmer geworden. Mit Schömann sprach unser Redakteur Bernd Wientjes.

Herr Schömann, die Polizei hat in den vergangenen Tagen auffällig viele Straftaten in der Region gemeldet. Ist es hier bei uns gefährlicher geworden?

Lothar Schömann: Die Region ist nach wie vor sicher. Durch den Zustrom von Flüchtlingen gibt es verständlicherweise Sorgen in der Bevölkerung. Im Verhältnis zur Zuwanderung von Asylbewerbern gibt es keine deutlich erhöhte Kriminalität.

Die Zahl der Straftaten in der Region hat sich aber im vergangenen Jahr erhöht, oder?
Schömann: Das stimmt. Es hat immer schon Flüchtlingsströme nach Deutschland gegeben, etwa in den 1990er Jahren aus dem Kosovo, später dann von Russlanddeutschen. Natürlich hat sich dann das Lagebild verändert, es hat mehr Kriminalität gegeben. So wie jetzt auch. Auffallende Steigerungen gibt es aber derzeit nur bei Ladendiebstählen. Da wissen wir auch, dass Flüchtlinge häufig die Täter sind, aber nicht ausschließlich. Bei schwerer Kriminalität gibt es aber keine Auffälligkeit.

Trotzdem sehen viele Bürger vor allem Flüchtlinge als Täter. Woran liegt das?
Schömann: Das bereitet uns große Sorge. Wahrnehmung und die Wirklichkeit klaffen dabei weit auseinander. Es haben sich durchaus ein paar Straftaten ereignet, bei denen wir als Verdächtige Flüchtlinge ausmachen konnten. Wobei sich ein mutmaßlicher Raub als erfunden her-ausgestellt hat. Auch bei einem anderen Fall haben wir Zweifel an dem angeblichen Tatablauf. Nichtsdestotrotz nehmen wir die Sorgen der Bevölkerung ernst. Aber eine Gesellschaft ohne Kriminalität und ohne ein gewisses Lebensrisiko gibt es nicht.

Häufiger Kommentar von "besorgten Bürgern" auf das Bekanntwerden von Straftaten: Es wird immer schlimmer. Stimmt das?
Schömann: Nein, definitiv nicht.

Können Sie verstehen, dass viele jetzt Angst haben?
Schömann: Ja. Aber man muss keine Angst haben. Und schon gar nicht muss man sich selbst bewaffnen - etwa mit Pfefferspray oder Elektroschockern. In Konfliktsituationen könnte es dann zu einer gefährlichen Eskalation kommen. Wir raten dazu, Tatgelegenheiten zu vermeiden.

Das bedeutet?
Schömann: Das man zu bestimmten Zeiten an bestimmten Orten nicht alleine unterwegs sein soll. Wir, die Polizei, sind aber durchaus in der Lage, die Menschen in der Region gut zu schützen und die Sicherheit zu gewährleisten.

Daran zweifeln offenbar derzeit einige. Stichwort: Bürgerwehr
Schömann: Wir brauchen keine Facebookgruppe Trier hilft sich. Damit wird nur Stimmung gemacht, die mit der Realität nichts zu tun hat. Ich sage aber auch sehr deutlich, dass wir die Ereignisse in Köln sehr ernst nehmen. Das, was dort passiert ist, darf sich nicht wiederholen. Daher haben wir auch das Sicherheitskonzept für Karneval entwickelt. Wir haben allerdings keine Hinweise, dass es ähnliche Ereignisse hier bei uns geben könnte. Die Menschen sollen feiern, so wie immer.

Ein Vorwurf lautet: Die Polizei meldet nicht alle Fälle, an denen Flüchtlinge beteiligt sind.
Schömann: Unsere Berichterstattung richtet sich nach polizeilichen Erfordernissen, wie etwa bei Fahndungen. Allerdings müssen wir auch die Persönlichkeitsrechte der Betroffenen beachten, und zwar sowohl der Opfer als auch der Täter. Über Bagatelldelikte ohne Besonderheiten berichten wir in aller Regel gar nicht - unabhängig von der Nationalität.

Aber es gibt doch die Vorgabe, dass die Herkunft der Täter bei von Ihnen verfassten Pressemitteilungen nicht genannt werden darf. Ist diese Vorgabe nun, nach Köln, gelockert?
Schömann: Diese sogenannte Zielvereinbarung existiert auch weiterhin. Darin ist festgehalten, sofern es keine polizeilichen Erfordernisse gibt, dass generell keine Staatsbürgerschaft genannt werden soll.

Das gilt aber nicht generell?
Schömann: In Einzelfällen, etwa in mit Köln vergleichbaren Fällen, nennen wir nach sorgfältiger Abwägung die Herkunft. Unser Grundsatz ist: Je schwerer die Tat, desto größer ist das Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit. Und das zu stillen, kann eben auch die Nennung der Nationalität umfassen. Bei Fahndungen werden wir natürlich Hinweise auf die Nationalität oder wahrscheinliche Herkunft weiter nennen. Aber wir verschleiern keine Nationalitäten von Tatverdächtigen. Das ist ein absurder Vorwurf.

Solche Vorwürfe werden ja vornehmlich im Internet erhoben. Dort wird ja mittlerweile auch sehr offen gegen Flüchtlinge gehetzt. Werden Sie verstärkt dagegen vorgehen?
Schömann: Wir beobachten das sehr aufmerksam. Wenn die Einträge einen Straftatbestand erfüllen, leiten wir Strafverfahren ein. Mit solchen Meinungen werden nur Rechtsextremisten und der rechte Rand gestärkt. wieExtra

Lothar Schömann, 64, leitet seit 2010 das Polizeipräsidium Trier. Der in Wittlich-Bombogen aufgewachsene Schömann war zuvor beim Landeskriminalamt, Leiter der Kriminaldirektion Trier und Abteilungsleiter Polizeieinsatz beim Polizeipräsidium Mainz. wie

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