Kernland ohne Anschluss

TRIER. Die Großregion von Saarland, Lothringen, Luxemburg, Rheinland-Pfalz und Wallonien liegt zwar im Herzen Europas. Verkehrstechnisch ist sie allerdings weit ab vom Schuss. Das will die Santer-Kommission ändern. Sie schlägt deshalb einen Verkehrsverbund vor, der die Hindernisse für den freien Verkehr in der Großregion aus dem Weg räumen soll.

"Je tiefer die EU zusammenrückt, desto stärker werden die Regionen." Dieses Credo verkündet Jacques Santer bei jeder der Sitzungen der gleichnamigen Kommission, die ein Zukunftsbild der Großregion Saar-Lor-Lux-Rheinland-Pfalz-Wallonien für das Jahr 2020 zeichnen soll. Dass es damit aber nicht weit her ist, musste das Team um den renommierten Luxemburger nun (auch) beim Thema Verkehr und Infrastruktur feststellen. "In der Großregion wird an verschiedenen Strängen in verschiedene Richtungen gezogen. Es gibt zu viele sporadische Initiativen", sagt Santer. Nicht nur, dass die Großregion von den Achsen der Schnellverkehrszüge abgekoppelt sei oder der Öffentliche Personen-Nahverkehr (ÖPNV) an Attraktivität für die Mehrzahl der Pendler zu wünschen übrig lasse. Es fehle das große Ganze, ein Konzept für die Verkehrspolitik in der Großregion. "Wir setzen uns für einen großregionalen Verkehrsverbund ein, der einen wettbewerbsfähigen ÖPNV anbieten soll", sagt Franz Peter Basten, Koordinator der Santer-Kommission. Dazu sollen auch private oder halb-öffentliche Förderer gefunden werden, der Prozess solle wissenschaftlich begleitet werden. "Ohne eine entscheidende Veränderung kommt kein ÖPNV in der Großregion zustande. Er ist heute in einem desolaten Zustand", sagt Basten. Um derzeit mit der Bahn von Trier nach Metz zu reisen, muss man in Luxemburg eine Stunde auf den Anschluss warten; von Luxemburg nach Brüssel scheint der Fahrplan jahrzehntelang ohne Veränderung geblieben zu sein; gut 75 000 Pendler fahren jeden Tag mit ihrem eigenen Auto nach Luxemburg zur Arbeit gegenüber rund 3600 Grenzgängern, die den ÖPNV nutzen. Dies sind nur wenige Beispiele dafür, dass die Kernregion Europas infrastrukturell aufgewertet werden muss, bevor sie ins Abseits gerät, heißt es in der Santer-Kommission. Zu ihr gehören auf rheinland-pfälzischer Seite auch Alt-Ministerpräsident Carl-Ludwig Wagner und Ex-Staatssekretär Karl Haehser. Ob Luftverkehr, Bahnverbindungen oder Schiffswege - das Santer-Team will der Präsidentschaft der Großregion deshalb bei ihrem nächsten Gipfel im Juni eine Liste vorstellen, auf der die verkehrstechnischen Hindernisse aufgeführt werden sollen. "Ich glaube, dass die Infrastruktur in der Großregion oberste Priorität haben muss. Und dafür muss auch das nötige Geld bereitstehen", fordert Jacques Santer. Dafür wolle er sich auch beim aktuellen Präsidenten der Großregion, Saarlands Ministerpräsident Peter Müller, stark machen.

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