Kinder, Kirche, Karriere

TRIER. Kinder, Küche, Kirche - mit diesen Begriffen wird oft die traditionelle Frauenrolle umschrieben. Birgit Kugel, Direktorin des Caritas-Diözesanverbands Trier, verkörpert alles andere als das klassische Bild. Für sie gilt: Kinder, Kirche, Karriere.

Hier eine Frau, 29 Jahre alt, Mutter einer zweijährigen Tochter - dort ein freier Direktoren-Posten beim Caritas-Diözesanverband. Das passt nicht zusammen? Birgit Kugel hat das Gegenteil bewiesen. Im November 1990, kurz vor ihrem 30. Geburtstag, bezog die promovierte Betriebswirtin das Chefbüro im Caritas-Gebäude in der Trierer Sichelstraße.Einzige Frau unter 27 Kollegen

Seither leitet sie, vom Bischof ernannt, als einzige Frau unter 27 Kollegen in Deutschland den Trierer Diözesanverband, eine rechtlich selbständige Abteilung des Bischöflichen Generalvikariats. Seine Aufgabe: die zehn regionalen Caritasverbände im Bistum zu beaufsichtigen, zu beraten, politische Arbeit für sie zu machen und ihre Mitarbeiter weiterzubilden.Wie reagierten altgediente Caritas-Größen auf eine so junge - und dazu weibliche - Vorgesetzte? Das sei nur in wenigen Fällen ein Problem gewesen, berichtet Kugel. Seit Mitte 1989 hatte sich die gebürtige Triererin bereits als Leiterin der Finanzabteilung des Diözesanverbands einen Namen bei den Mitarbeitern gemacht. Ihr Rezept: "Ich stelle immer die sachliche Ebene in den Vordergrund. Wenn man sich argumentativ auseinander setzt, spielt das Alter keine Rolle." Sie glaubt, dass Frauen überhaupt oft anders, sachbezogener, führen als Männer. "Ich sage offen, warum ich etwas so entschieden habe und nicht anders. Transparenz ist mir wichtig. Und ich lege Wert darauf, einschätzbar zu sein."Bei der Geburt ihrer Tochter Ende 1988 entschieden sich Birgit Kugel und ihr Mann, von Beruf Winzer, für eine unkonventionelle Rollenteilung: sie Hauptverdienerin, er in erster Linie für das Kind verantwortlich. Drei Wochen vor der Entbindung war die in Krettnach lebende Betriebswirtin mit ihrer Promotion fertig geworden. "Ich hatte einfach die besseren Perspektiven", sagt sie. Dieses Modell funktionierte so gut, dass sie 1992 ein zweites Kind bekam."Meine Familie hat das alles von Anfang an zu 100 Prozent mitgetragen und mir den Rücken gestärkt", berichtet die Caritas-Direktorin. "Sonst wäre es nicht gegangen." Leicht war es auch so nicht immer. "Ich habe mich schon manchmal gefragt: Werde ich meiner Aufgabe als Mutter gerecht?" Und schließlich mit "Ja" geantwortet. Das gemeinsame Frühstück ist heilig, und wenn irgend möglich, geht sie um 18.30 Uhr nach Hause und verbringt den Abend mit ihren Kindern. Sind die im Bett, setzt sie sich oft noch einmal an den Schreibtisch.Was Frauenrechtlerinnen ins Schwärmen bringt, sorgt im Umfeld der Kugels schon mal für Irritationen: "Man merkt immer wieder, dass unsere Rollenverteilung nicht normal ist." Ein Beispiel? "Wenn die Freunde unserer Kinder kommen und mein Mann beim Putzen ist, gibt es schon Fragen", erzählt Birgit Kugel.Wie geht sie als vorbildlich emanzipierte Frau, die nach eigenen Angaben "einen ziemlich intensiven Bezug zur Kirche" hat, damit um, dass Frauen dort aufgrund ihres Geschlechts von bestimmten Ämtern ausgeschlossen sind? "Im Caritasverband spielen Frauen auf den höheren Ebenen eine andere Rolle als in der verfassten Kirche", sagt Kugel. "Diese Frage war für mich nie ein Problem." Allerdings, fügt sie nach einer Pause hinzu, fände sie es gut, wenn Frauen in der Kirche eine größere Rolle spielen würden."Ich hätte nicht auf eine Familie verzichtet"

In generelles Klagen über eine Benachteiligung des weiblichen Geschlechts will Kugel nicht einstimmen: "Ich tue mich schwer mit dieser gängigen These. Mein Eindruck ist, dass es oft an den Frauen selbst liegt. Sie bewerben sich auf bestimmte Stellen gar nicht. Viele schrecken zurück, wenn sie sehen, was es heißt, eine Führungsposition zu übernehmen." Hört man Birgit Kugel von ihrem Job schwärmen, mutet diese Haltung zunächst seltsam an: "Ich habe eine sehr schöne Aufgabe, ich komme jeden Morgen gerne hierher", sagt sie. "Und der Stress, den ich habe, ist konstruktiver Stress." Doch die Caritas-Chefin hat den meisten Frauen eines voraus: einen Gatten, für den der Job als Hausmann kein Problem ist. Wäre das anders, säße heute wohl auch auf ihrem Chefsessel ein Mann: "Ich hätte nicht für den Beruf auf eine Familie verzichtet."

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