Kinderschänder sollen es schwerer haben

Trier · Pädophilen soll es erschwert werden, sich in Wohlfahrtsverbände oder Sportvereine einzuschleichen. Wer in der Jugendhilfe arbeitet, muss nun ein einwandfreies Führungszeugnis nachweisen. Auch viele regionale Vereine verlangen von ihren ehrenamtlichen Übungsleitern oder Betreuern einen Unbedenklichkeitsnachweis.

Trier. Als freundlicher Kumpeltyp war der 37-jährige Mayener bekannt. Er unterwies kleine Jungen im Geräteturnen, engagierte sich in der Jugendfeuerwehr, in der Tanzgruppe, im Angelverein. Er galt als freundlich, vielleicht sogar zu freundlich. Verdacht gegen ihn keimte auf, als immer mehr Kinder nicht zum Turnen gehen wollten.
Ein Verdacht, der sich in Gewissheit verwandeln sollte. Auf 42 Videos hatte der von den Boulevardzeitungen als "Deutschlands schlimmster Kinderschänder" titulierte Mayener den brutalen Missbrauch an zwei Jungen aus der Vulkaneifel festgehalten. Nachdem in der ZDF-Sendung "Aktenzeichen XY …ungelöst" nach ihm gefahndet worden war, stellte er sich und wurde 2010 in Trier zu zehneinhalb Jahren Freiheitsstrafe verurteilt.
Schon seit Jahren gibt es im achten Sozialgesetzbuch einen Paragrafen (72 a), der solche Straftaten verhindern soll. Demnach müssen die Träger der öffentlichen Jugendhilfe sicherstellen, dass sie niemanden beschäftigen, der wegen Kindesmissbrauchs oder ähnlicher Vergehen vorbestraft ist. Und zwar, indem sie sich regelmäßig ein erweitertes Führungszeugnis vorlegen lassen. Zudem sollen die Jugendämter ähnliche Regelungen mit Verbänden und Vereinen treffen.
Auf Landesebene ist dies im Januar 2014 geschehen. Der Landesjugendhilfeausschuss hat eine Rahmenvereinbarung verabschiedet, der sich inzwischen auch alle Jugendämter der Region Trier angeschlossen haben. Diese sieht vor, dass alle, die in der Jugendhilfe tätig sind, ein Führungszeugnis vorlegen müssen, wenn sie mit Minderjährigen übernachten, engen Körperkontakt haben, Einzelunterricht geben oder mit den Kindern alleine sind. Ein Prüfschema soll dabei helfen zu beurteilen, wer ein Führungszeugnis braucht. Bindend sind diese Regelungen für Träger der Kinder- und Jugendhilfe. Wer nicht mitmacht, bekommt keine öffentlichen Zuschüsse mehr. Allerdings empfiehlt der Landesjugendhilfeausschuss auch Vereinen, so zu verfahren.
Daher hat ein Teil der Jugendämter (Trier, Trier-Saarburg und Bernkastel-Wittlich) auch Sport-, Musik oder Karnevalsvereine angeschrieben, informiert und aufgefordert, der Rahmenvereinbarung beizutreten.
Viele haben dies bereits getan. Die Vorstände verpflichten sich damit, zu überprüfen, ob Übungsleiter, Trainer oder Betreuer vorbestraft sind. In der Praxis funktioniert das folgendermaßen: Der Verein stellt dem Übungsleiter eine Bescheinigung über die ehrenamtliche Tätigkeit aus. Diese befreit ihn von der Gebühr für das Führungszeugnis (13 Euro), das beim Einwohnermeldeamt beantragt werden muss. Dieses Zeugnis zeigt der Übungsleiter dem zuständigen Vereinsvorstand, der in einer Liste notiert, dass es (im Idealfall) keine Vorstrafen gibt. Das Zeugnis selbst nimmt der Übungsleiter aus Datenschutzgründen wieder mit.
All dies bedeutet einen hohen Verwaltungsaufwand. Dennoch berichten zwei der größten Sportvereine der Region - der Postsportverein Trier (3300 Mitglieder) und der Polizeisportverein Wengerohr (2000 Mitglieder) - von überwiegend positiven Erfahrungen. Sämtliche Übungsleiter, Trainer und Betreuer wurden aufgefordert, ein Führungszeugnis vorzulegen. "Erstaunlicherweise läuft es sehr unproblematisch", sagt Claudia Pütz vom Polizeisportverein, der eine Deadline bis zu den Sommerferien gesetzt hat.
Andere Vereine sind der Rahmenvereinbarung (noch) nicht beigetreten. Entweder, weil sie nicht informiert wurden oder weil sie es nicht wollen. Aus organisatorischen Gründen. Aber auch, um den Vereinsfrieden nicht zu stören. Man kennt sich doch schließlich. Die Leute opfern ihre Freizeit. Und plötzlich soll man sie unter Generalverdacht stellen, Kinderschänder zu sein? "Irgendwann ist es auch mal gut. Die Leute machen sowieso schon alles für Gottes Lohn. Das würde ich niemandem abverlangen wollen", sagt Christian Rauen, zweiter Vorsitzender des FSV Salmrohr.
Der Landessportbund schätzt, dass etwa ein Drittel der Vereine die Vorlage von Führungszeugnissen kritisch sieht. Der Dachverband selbst findet vor allem, dass dies bei weitem nicht ausreicht, um Kinder zu schützen. Schon vor Jahren hat er sich daher zu viel weiterreichenden Maßnahmen entschieden: Es gibt verpflichtende Fortbildungen zum Thema Kinderschutz, einen Verhaltenskodex, den jeder Trainer oder Übungsleiter unterzeichnen muss, eine Broschüre zum Thema sowie die Möglichkeit Lizenzen zu entziehen. Zudem kooperiert der Verband, für den Fall, dass Hilfe nötig ist, mit dem Opferschutzbund Weißer Ring.
Auch die Vertreter von Jugendfeuerwehren der Region sind der Überzeugung, dass mehr getan werden muss. Es gehe ja nicht nur um sexuellen Missbrauch, sagt Frank Leuwer, Vorsitzender des Kreisfeuerwehrverbands Vulkaneifel. Schulungen und Broschüren sollen den Jugendwarten auch dabei helfen zu erkennen, wenn ein Kind misshandelt oder vernachlässigt wird.
Jugendämter und Vereine sind sich einig darin, dass die Vorlage von Unbedenklichkeitsbescheinigungen nur ein Bausteinchen beim Kinderschutz sein kann. Und dass mehr getan werden muss, um Verbrechen wie jene, die der 37-jährige Mayener begangen hat, zu verhindern.
Weitere Infos zum Thema gibt es unter lsjv.rlp.de

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