Klaus Welsky im Interview: "Gesetz spielt keine Rolle mehr"

Berlin · Der Lokführer-Chef über das Verfassungsgerichtsurteil und die Konsequenzen.

Spätestens seit dem Streik Ende 2014 gilt Claus Weselsky (Foto: dpa), Chef der kleinen Lokführergewerkschaft GdL, als unnachgiebiger Interessenvertreter seiner kleinen, aber kampferprobten Organisation. Im Gespräch mit unserem Berliner Korrespondenten Werner Kolhoff ist das auch nach dem Karlsruher Urteil über das Tarifeinheitsgesetz deutlich zu spüren.

Herr Weselsky, fühlen Sie sich als Sieger oder Verlierer des heutigen Urteils?
Claus Weselsky: Teils, teils. Zwar ist das Gesetz ein Stück weit bestätigt worden, doch wird es in der Praxis wahrscheinlich jetzt zunächst überhaupt keine Rolle mehr spielen. Das Streikrecht ist nicht eingeschränkt, die Koalitionsfreiheit ist es nicht und auch nicht das Recht der kleinen Gewerkschaften, Tarifverträge abzuschließen.
Es geht ja weniger um die Rechte der Gewerkschaften gegenüber den Arbeitgebern, sondern um eine Regelung des Streites zwischen konkurrierenden Gewerkschaften.

Karlsruhe sagt, das darf der Gesetzgeber regeln.
Weselsky: Ja, aber nicht so, wie er es geregelt hat, nämlich einseitig zu Lasten der kleinen Gewerkschaften. Hier wurde durch die Hintertür versucht, uns das Streikrecht zu entziehen. Genau das hat das Gericht gestoppt. Dieses Gesetz ist ein Offenbarungseid der SPD. Dass eine Regierung sich aufmacht, Gewerkschaften in ihrer Existenz zu gefährden, das sieht doch sehr nach amerikanischem Union-Bashing (Gewerkschaften schlagen) aus. Und das sieht nicht nur so aus, das ist auch Union-Bashing.

Mit Verlaub, aber die Gewerkschaften haben sich in Gestalt des DGB hinter Arbeitsministerin Nahles gestellt.
Weselsky: Und Verdi dagegen - die sind auch DGB. Und Verdi war hier vor Gericht, hat geklagt und ist enttäuscht, dass das Urteil das Tarifeinheitsgesetz nicht komplett gekippt hat.

Die GDL hat mit ihren Streiks bei der Bahn dafür gesorgt, dass das Thema überhaupt hochkam. Bereuen Sie das im Nachhinein?
Weselsky: Das stimmt nicht. Die ersten Gesetzesüberlegungen gab es schon im Jahr 2010, die große Auseinandersetzung bei der Bahn aber erst 2014/15. Es war der Bund als Eigentümer, der die Bahn angewiesen hat, 500 Millionen Euro Steuergeld sinnlos zu verbrennen, um unsere Tarifforderungen abzuwehren. Wir haben uns trotzdem durchgesetzt.

Und sich den Ärger vieler Bürger zugezogen.
Weselsky: Unser Ziel war es nie, die Reisenden oder andere Kunden der Bahn zu beeinträchtigen. Allerdings können wir auch nicht nur nachts von halb eins bis halb zwei streiken. Zu einem Streik gehören immer zwei, und da haben die Bahn und der Eigentümer Bund einiges dazugetan.

Aber damals gehörten nicht zwei zum Streik, sondern drei, nämlich der Arbeitgeber und zwei konkurrierende Gewerkschaften, Sie und die größere EVG.
Weselsky: Nein, das wurde so dargestellt. Wir nehmen keiner anderen Gewerkschaft Mitglieder weg, die keine hat. Wir haben schon 80 Prozent Organisationsgrad, die EVG hat nur 30 Prozent.

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