Kommunalreform: Die Suche nach leistungsfähigen Verwaltungen

Mainz · Seit den 70er Jahren sind die kommunalen Verwaltungsstrukturen in Rheinland-Pfalz nicht mehr angetastet worden. Es sei Zeit für eine umfassende Reform mit räumlichen Gebietsänderungen, analysiert im Auftrag des Landes Gutachter Martin Junkernheinrich.

Die Suche nach der leistungsfähigen Verwaltung von morgen im Dienst der Bürger hat nicht erst gestern begonnen. Schon in der vergangenen Wahlperiode (2006 bis 2011) hat die von der SPD allein geführte Landesregierung eine Kommunal- und Verwaltungsreform eingeleitet. Rot-Grün verfolgt diesen Weg konsequent weiter.
Von Anfang an war klar, dass die im bundesweiten Vergleich kleinteiligste Struktur von Rheinland-Pfalz keinen Bestand haben kann. Mit seinen etwa vier Millionen Einwohnern hat das Land zwölf kreisfreie Städte, 24 Landkreise, rund 160 Verbandsgemeinden und 2300 Ortsgemeinden. Etliche Verbandsgemeinden, auf die sich die Diskussion konzentriert, fürchten, dass sie kurz- oder mittelfristig von der Landkarte verschwinden.
Zu Recht, wie sich nun herausstellt. Professor Martin Junkernheinrich von der Technischen Universität Kaiserslautern hat untersucht, welche Verbandsgemeinden mit weniger als 12 000 Einwohnern - diese Grenze hat das Land gesetzt - fusionieren sollten. Landesweit seien das 55, elf davon in der Region Trier. Nur für elf Verbandsgemeinden - in der Region Arzfeld und Neuerburg - lässt der Forscher Ausnahmekriterien wie Zahl der Ortsgemeinden, Flächengröße, starke Wirtschafts- und Finanzkraft oder Grenzlage gelten.
Der Forscher weist darauf hin, betroffenen Kommunen müsse bei einem Anhörungsverfahren die Gelegenheit gegeben werden, ihre Belange vorzutragen und den Nachweis ihrer dauerhaften Leistungsfähigkeit zu erbringen. Das könnte für Verbandsgemeinden wie Kell am See oder Traben-Trarbach ein Hintertürchen bedeuten, zumal sie bislang nicht zum Kreis der vom Land benannten 32 Kandidaten mit vordringlichem Bedarf zählen.
Die politische Diskussion hat an Schärfe gewonnen, weil eine vom Land gesetzte Frist für freiwillige Fusionen am 30. Juni ausgelaufen ist. Wer sich bislang nicht bewegt hat, wird also bewegt. Und zwar per Gesetz.
Gutachter Junkernheinrich hält Veränderungen für erforderlich: "Der Fortbestand von in ihrer Leistungskraft eingeschränkten Verbandsgemeinden würde dauerhaft zu einem Ungleichgewicht bei der Entwicklung gleichwertiger Lebensverhältnisse in Rheinland-Pfalz führen, was einer gemeinwohlorientierten Lösung abträglich wäre."
Der Wissenschaftler betont allerdings auch, dass sich die Landesregierung nicht wie bislang allein auf die Verbandsgemeinden beschränken dürfe. Die Problemlagen der kommunalen Ebene lägen schwerpunktmäßig bei den Landkreisen und kreisfreien Städten, zum Beispiel bei den Stadt-Umland-Beziehungen. "Darüber hinaus wird sich die Frage nach der Abgrenzung der Landkreise infolge der angestrebten Vergrößerung von Verbandsgemeinden neu stellen." Die rot-grüne Landesregierung folgt einer anderen Marschrichtung. Sie will die Zahl der Verbandsgemeinden reduzieren und sich erst ab 2014 die Kreise und kreisfreien Städte vornehmen.
Die oppositionelle CDU lehnt dieses Vorgehen ab und wehrt sich gegen Zwangsfusionen. "Die Landesregierung hat sich die Verbandsgemeinden herausgepickt, die aber gar nicht das Problem darstellen", sagt Innenexpertin Anke Beilstein. In einer Reform aus einem Guss müssten alle kommunalen und staatlichen Ebenen einbezogen werden.
Auch Aloysius Söhngen, Vorsitzender des Gemeinde- und Städtebundes Rheinland-Pfalz, hält das Vorgehen der Landesregierung für falsch. "Man muss darüber nachdenken, wie die gesamte Verwaltungsstruktur im Land aussehen sollte." Söhngen mahnt, mit Fusionen vorsichtig zu sein und nicht nur statistische Kennzahlen gelten zu lassen. "In der Praxis tauchen Probleme auf, bei denen keine Statistik hilft."
Die Fusionskandidaten harren derweil gespannt der Dinge, die da kommen sollen. Der Keller Bürgermeister Werner Angsten erkundigte sich schon vor Monaten besorgt, was Mainz plane. Der zuständige Innenminister Roger Lewentz (SPD) lässt sich bei dieser konfliktträchtigen Angelegenheit nicht in die Karten blicken. Er wartet eine weitere Expertise von Professor Junkernheinrich ab, die Vorschläge für Gebietsänderungen unterbreiten und Alternativen bewerten soll.
"Vom zweiten Teil des Gutachtens erwarten wir konkrete Handlungsempfehlungen. Diese wird die Landesregierung dann in einer Gesamtschau, bei der auch die vorliegenden Beschlüsse der Orts- und Verbandsgemeinderäte sowie die Ergebnisse der Bürgerentscheide und Bürgerbefragungen herangezogen werden, würdigen und die erforderlichen Gebietsänderungen durch Gesetz auf den Weg bringen", sagt Lewentz dem Volksfreund.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort