Konjunkturforscher freuen sich über steigende Arbeitskosten

Berlin · Nach einer Studie des gewerkschaftsnahen Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) mussten deutsche Unternehmen im vergangenen Jahr 31 Euro pro geleistete Arbeitsstunde aufwenden, 2,8 Prozent mehr als noch im Vorjahr. Instituts-Chef Gustav Adolf Horn sprach von einer "gewissen Trendwende"; die Arbeitnehmer hätten dadurch "mehr Geld in der Tasche, das sie auch ausgeben".

Berlin. Hier die wichtigsten Fragen und Antworten zur Entwicklung der Arbeitskosten in Deutschland.

Was sind Arbeitskosten?
Zu den Arbeitskosten zählen der Bruttolohn, der Arbeitgeberanteil an den Sozialbeiträgen, Aufwendungen des Arbeitgebers für Aus- und Weiterbildung der Mitarbeiter sowie bestimmte Steuern. Die Folgen der niedrigen Arbeitskosten in den zurückliegenden Jahren sei eine schwache Entwicklung bei den Löhnen, bei der Binnennachfrage, bei Importen und bei Investitionen gewesen, so Horn. Dies habe zur Krise im Euroraum mit beigetragen. Nun gebe es den "vorsichtigen Einstieg in eine Korrektur dieser Fehlentwicklung".

Wo liegt Deutschland bei den Arbeitskosten im europäischen Vergleich?
Auf Platz acht, also im Mittelfeld. Höhere Arbeitskosten haben Schweden (42,20 Euro pro Stunde), Belgien (40,40 Euro), Dänemark (39,40), Frankreich (34,90), Luxemburg (34,50), die Niederlande (31,40) und Finnland (31,10). Am geringsten sind die Kosten in Rumänien (4,50 Euro) und Bulgarien (3,60 Euro). In den Krisenländern Italien, Irland, Spanien, Griechenland und Portugal bewegen sie sich zwischen 27,40 Euro und 11,70 Euro pro Stunde.
Gibt es Unterschiede zwischen dem Industrie- und dem Dienstleistungssektor?
Ja. IMK-Institutsleiter Horn sprach von einer großen Lücke, die zwischen beiden Sektoren klafft - nämlich 35,10 Euro pro Stunde im Bereich der Industrie gegenüber 28,40 Euro im Dienstleistungssektor. In vielen anderen Ländern sei der Verdienst für Dienstleistungen hingegen deutlich höher als in Deutschland, so Horn.

Wie würde sich ein flächendeckender Mindestlohn darauf auswirken?
Die Forscher bewerten den Mindestlohn positiv. Ihre Bgründung: Von einem gesetzlichen Mindestlohn sei fast nur der Dienstleistungssektor betroffen, so dass sich die Differenz bei den Arbeitskosten teilweise schließen lasse. Das Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung geht zudem von einem "stabilisierenden Einfluss" des Mindestlohns auf die Gesamtwirtschaft durch den zu erwartenden Einkommensanstieg von Arbeitnehmern aus.

Schaden steigende Löhne auf der anderen Seite der Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen?
Nein, behaupten die Experten. Die zuletzt kräftigen Lohnzuschläge von knapp drei Prozent in Deutschland hätten sogar geholfen, die Krise im Euro-Raum abzumildern. Ein höherer Anstieg sei zudem nötig: "Es wäre gesamtwirtschaftlich deutlich besser, wenn die Löhne in Deutschland für eine absehbare Zeit jährlich um deutlich mehr als drei Prozent zulegten", heißt es in der Analyse. Diese Einschätzung begründen die Experten so: Dadurch könne den deflationären Risiken entgegengewirkt werden, ohne Inflationsimpulse zu setzen. Auch mildere dies den Anpassungsdruck auf andere Länder, mit weiteren Lohnkürzungen und Entlassungen auf die Krise zu reagieren.

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