Konzer muss lebenslang hinter Gitter

Trier · Ein bereits wegen Missbrauchs eines Jungen verurteilter 68-Jähriger ist gestern in Trier zusätzlich zu Sicherungsverwahrung verurteilt worden. Der Bundesgerichtshof hatte gerügt, dass die Voraussetzung dafür im ersten Urteil nicht geprüft worden ist.

 Für besonders gefährliche Straftäter kann Sicherheitsverwahrung angeordnet werden, wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind. TV-Foto: Klaus Kimmling

Für besonders gefährliche Straftäter kann Sicherheitsverwahrung angeordnet werden, wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind. TV-Foto: Klaus Kimmling

Trier. Es wäre seine letzte Chance gewesen. Wenn der 68-Jährige - nachdem Staatsanwaltschaft und sein Verteidiger ihre Plädoyers gehalten haben - eingeräumt hätte, dass er vor vier Jahren einen damals Zwölfjährigen mehrmals vergewaltigt hat, womöglich hätte er noch verhindern können, dass ihn das Gericht nach Verbüßung seiner Haft in Sicherungsverwahrung schickt. Das, so sein Verteidiger Otmar Schaffarczyk, bedeute für den aus Aserbaidschan stammenden Konzer, dass er womöglich bis an sein Lebensende nicht mehr in Freiheit kommt. Der Mann, der zum dritten Mal wegen Kindesmissbrauchs auf der Anklagebank sitzt, weiß das. Trotzdem lauten seine Schlussworte: "Ich habe nichts getan."
Schon einmal hat ihm das Gericht nicht geglaubt. Im März 2009 hat ihn die 1. Große Jugendkammer des Trierer Landgerichts zu einer achtjährigen Haft verurteilt, wegen des Missbrauchs des Jungen - dem Enkel seiner damaligen Lebensgefährtin, mit der er in Konz gelebt hat. 20-mal hat der gelernte Elektriker den Zwölfjährigen vergewaltigt. Bereits 2006 ist der damals 60-Jährige, der seit 1986 als politischer Flüchtling in Deutschland lebt, wegen Missbrauchs eines elfjährigen Jungen verurteilt worden - zu einer neunmonatigen Bewährungsstrafe. Kurz nach dem Urteil ist er dann erneut straffällig geworden.
Gerichtshof rügt Trierer Kammer


Sowohl der Verurteilte als auch die Staatsanwaltschaft sind gegen das zweite Urteil - die achtjährige Haftstrafe - vorgegangen, haben es im Zuge einer Revision vom Bundesgerichtshof überprüfen lassen. Die Revision des Mannes ist abgelehnt worden, die der Anklagevertreter hat Erfolg gehabt.
Der Bundesgerichtshof hat die Entscheidung der 1. Großen Jugendkammer gerügt. Allerdings nicht das Urteil als solches, auch nicht die Höhe der Strafe. Vielmehr hat das Karlsruher Gericht kritisiert, dass die Voraussetzungen für eine Sicherungsverwahrung nicht überprüft wurden. Eine solche Voraussetzung liegt dann vor, wenn einem Angeklagten etwa ein Hang zu erheblichen Straftaten nachgewiesen werden kann. Die Karlsruher Richter haben daher den Fall wieder zurückverwiesen an das Trierer Landgericht.
Seit über zwei Monaten hat die 2. Große Jugendkammer darüber verhandelt. Im Mittelpunkt des neuerlichen Prozesses stand die psychiatrische Begutachtung des 68-Jährigen. Das erste Gutachten hatte ihm keinen Hang zu Straftaten bescheinigt. Allerdings hatte der Gutachter vor Gericht einräumen müssen, dass er keine Erfahrung mit Gutachten für die Sicherungsverwahrung besitzt. Daraufhin hat das Gericht einen zweiten Gutachter bestellt, der dem 68-Jährigen eine sogenannte Alterspädophilie und ein Rückfallrisiko bescheinigte.
Noch vor dem gestern Mittag verkündeten Urteil hat Verteidiger Schaffarczyk von einem Justizirrtum gesprochen und hat so den Zorn der Anwältin des missbrauchten Jungen, Ruth Streit, auf sich gezogen. Der Junge leide noch immer, das sei kein Irrtum, ereiferte sich die Anwältin. Schaffarczyk beantragte in seinem Plädoyer, den Mann während der Haft erneut zu begutachten und erst dann über Sicherungsverwahrung zu entscheiden.
Dem ist das vierköpfige Gericht nicht gefolgt. Von dem Mann gehe eine Gefahr aus, er sei hochgradig rückfallgefährdet. Daher, so die Vorsitzende Richterin Petra Schmitz, werde nach Ende der Haft, deren Dauer das Gericht von acht auf sieben Jahre herabgesetzt hat, eine Sicherungsverwahrung angeordnet. Verteidiger Schaffarczyk hat bereits vor dem Urteil angekündigt, im einem solchen Fall Revision zu beantragen. Kommt ein Gericht zu der Überzeugung, dass von einem Straftäter weiter eine erhebliche Gefahr für die Allgemeinheit ausgeht, kann es Sicherungsverwahrung anordnen und damit die Gefängnisstrafe auf unbestimmte Zeit verlängern. Ein Gericht muss alle zwei Jahre prüfen, ob die Strafe fortbestehen soll. Die Sicherungsverwahrung darf nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte aber nicht mehr erst nach Ablauf einer Strafe verhängt, sondern muss bereits beim Urteil ausgesprochen werden. In dem Fall des gestern verurteilten 68-Jährigen sieht das Gericht ausdrücklich keine nachträgliche Sicherungsverwahrung. wie

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