Krankenkassen könnten Milliarden sparen

Berlin · Steht der Milliardenmarkt der Arzneimittel in Deutschland vor einer Wende? Laut dem neuesten Arzneimittelreport im Auftrag der Krankenkasse AOK gehen die Ausgaben für Medikamente langsam zurück. Der TV beantwortet die wichtigsten Fragen zu den Entwicklungen 2010.

Berlin. Die gesetzlichen Ausgabenbremsen bei Medikamenten zeigen allmählich Wirkung. Nach einem kräftigen Kostenschub in früheren Jahren haben die gesetzlichen Krankenkassen im vergangenen Jahr nur noch etwa ein Prozent mehr für Pillen und Salben ausgegeben.
Nach wie vor verschreiben Ärzte allerdings trotzdem vielfach zu teure Mittel. Das geht aus dem jüngsten Arznei-Verordnungsreport hervor, der seit über zwei Jahrzehnten regelmäßig erscheint und aktuell auf etwa 700 Millionen Verordnungen für Kassenpatienten basiert.

Welche Bedeutung haben die Arzneikosten?
Für die gesetzlichen Krankenkassen bilden die Medikamente den zweitgrößten Kostenblock nach den Aufwendungen für Krankenhausbehandlungen. Fast jeder fünfte Euro (18 Prozent) der gesamten Kassenleistungen wurde dafür 2010 verausgabt.
Allein in den letzten vier Jahren stiegen die Kosten für Medikamente um 6,1 Milliarden Euro auf jetzt 32 Milliarden Euro. Im Vorjahr betrug der Anstieg allerdings nur noch 330 Millionen Euro.

Auf welche Weise wird gespart?
Die Kostendämpfung ist im Wesentlichen auf das sogenannte GKV-Änderungsgesetz zurückzuführen. Demnach müssen die Pharmahersteller seit Mitte 2010 den Kassen für bestimmte Medikamente einen höheren Abschlag gewähren.
Hinzu kommt, dass die Bundesregierung die Arzneipreise bis Ende 2013 auf dem Stand vom 1. August 2009 eingefroren hat. Darüber hinaus können die Kassen mit den Herstellern eigene Rabattverträge aushandeln. Allein das brachte im Vorjahr eine Ersparnis von über 1,3 Milliarden Euro.

Geht die Kostendämpfung zulasten der Patienten?
Nein, sagen die Autoren des Arzneimittelreports. Nach ihren Berechnungen könnten sogar noch weitere 4,7 Milliarden Euro eingespart werden, ohne Qualitätseinbußen bei der Therapie zu riskieren. Möglich wäre das zum Beispiel durch den verstärkten Einsatz billigerer Nachahmermedikamente (sogenannte Generika).
Obwohl die Zahl aller ärztlichen Verordnungen nahezu konstant geblieben ist, hat sich der Arzneimittelumsatz um 4,3 Prozent erhöht. "Diese Wertsteigerung kommt trotz stabiler Preise zustande, weil die Ärzte auch 2010 mehr teuere Präparate verordnet haben", heißt es beim Wissenschaftlichen Institut der AOK.
Welche Medikamente sind besonders teuer?
Das sind eindeutig die patentgeschützten Medikamente. Der Umsatz in diesem Bereich erhöhte sich sogar um 7,5 Prozent, und das, obwohl die Zahl der entsprechenden Verordnungen leicht zurückging.
Gemessen an anderen Staaten sind die Preise für Patent-Arzneien in Deutschland allerdings auch besonders hoch. So kostet zum Beispiel die gängige Packung Humira gegen Arthritis hierzu- lande stolze 4393 Euro, in Großbritannien dagegen nur umgerechnet 2408 Euro. Das ist eine Preisdifferenz von rund 82 Prozent.

Gibt es ein Mittel gegen die Kostentreiber?
Die Experten hoffen hier auf das "Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz" (Amnog), welches erstmals eine Nutzenbewertung für patentgeschützte Medikamente ermöglicht. Bislang konnten die Hersteller für solche Präparate praktisch jeden Preis verlangen.
Entscheidend für eine Kostenentlastung wird sein, welche Erstattungspreise Hersteller und Kassen nun aushandeln. Die ersten Ergebnisse sind allerdings wahrscheinlich nicht vor Mitte 2012 zu erwarten.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort