Krieg der Kommunen

TRIER. Der Schuss wird nach hinten losgehen: Die Haltung von Experten zur Ausweisung immer neuer Baugebiete ist eindeutig. Kommunalpolitiker regieren derweil im Bestreben, das Beste für ihre Orte herauszuholen – nach dem Prinzip Hoffnung: So schlimm wird's schon nicht werden.

"Wir haben es mit einer Art Dreißigjährigem Krieg zu tun: Jeder kämpft gegen jeden. Das macht alles längst keinen Sinn mehr." Gertrude Penn, Leiterin des Fachgebiets raumbezogene Umweltplanung beim Bundesumweltamt, ist die Ausweisung immer neuer Baugebiete ein Dorn im Auge. Die Kommunen lieferten sich einen ruinösen Wettbewerb, schimpft sie. Es werde immer mehr Infrastruktur geschaffen, die gar nicht instand gehalten werden könne, während es innerorts Baulücken und Leerstände gebe. Wie aber erklärt man das Kommunalpolitikern, die sich von der Ausweisung von Neubaugebieten - meist zu Recht - den Zuzug junger, solventer Familien erhoffen und so die Zukunft ihres Ortes zu sichern glauben? "Man muss sie fragen, ob sie ihre Rechnung zu Ende geführt haben", sagt Penn. Und zitiert Untersuchungen, nach denen die Ausweisung von Neubaugebieten allenfalls dann Geld in die Kasse einer Kommune spült, wenn ihr das zu vermarktende Land gehört. In allen anderen Fällen sei die Ausweisung finanziell riskant. "Im Osten sind bereits viele Kommunen böse auf die Nase gefallen", berichtet Gertrude Penn, "und das kommt auch im Westen". Damit liegt das Umweltbundesamt auf einer Linie mit dem Naturschutzbund: In Deutschland würden derzeit pro Tag etwa 100 000 Quadratmeter neue Erschließungsstraßen samt Leitungsnetzen gebaut, kritisiert der Nabu. Dabei seien viele Kommunen kaum in der Lage, die bestehende Infrastruktur zu warten. In der Praxis hat sich diese Sicht bisher nicht durchsetzen können. Kommunen müssten in punkto Ausweisung von Neubaugebieten immer wieder gestoppt werden, berichtet Roland Wernig, leitender Planer der Planungsgemeinschaft Trier. Eine von der Bundeszentrale für politische Bildung veröffentlichte Studie des Koblenzer Professors Ulrich Sarcinelli attestiert Kommunalpolitikern mangelndes Problembewusstsein. Die meisten von ihnen schätzen die Entwicklungsperspektive ihres Ortes positiver ein als die Modellrechnungen signalisieren. "Daten werden in ihrer Dramatik grundsätzlich in Zweifel gezogen", heißt es."Bundesländer in der Pflicht"

Im Klartext: Obwohl die Prognosen der Demoskopen zum Bevölkerungsrückgang eindeutig sind, wird vor Ort gerne nach der Devise Politik gemacht: So schlimm wird's schon nicht werden - zumindest nicht bei uns. Eine Einschätzung, die Edith Hellenbrand-Neumann sofort unterschreiben würde. Sie engagiert sich mit Argumenten wie denen des Bundesumweltamts und des Naturschutzbunds gegen das geplante Neubaugebiet in ihrer Heimatgemeinde Gutweiler (Kreis Trier-Saarburg) und klagt: "Das wird dargestellt, als wollte ich die Dorfentwicklung verhindern." Dass mit der Ausweisung von Neubaugebieten künftig restriktiver umgegangen werden muss, fordert auch Regionalplaner Wernig. "Der neue Regionalplan, der 2008 in Kraft treten soll, wird bis zur Ebene der Verbandsgemeinden hinunter verbindliche Vorgaben machen, wie viel Bauland ausgewiesen werden darf." Dort wird dann entschieden, welcher Ort wie viel dieser Fläche ausweisen darf. Zahlen liegen noch nicht vor. Einen Anhaltspunkt, in welcher Größenordnung sich die Restriktionen bewegen könnten, liefert ein Plan der Bundesregierung zur Reduktion des Flächenverbrauchs: Danach dürfen in Rheinland-Pfalz 2020 statt derzeit 1618 Hektar nur noch 511 Hektar neu bebaut werden. Das entspricht einer Reduktion pro Tag von 4,4 auf 1,4 Hektar. Umweltbundesamts-Expertin Penn sieht vor allem die Länder in der Pflicht: "Der Punkt ist, dass sie ihre Aufgaben nicht erfüllen." Die Landesplanung müsse in Dialog mit den Kommunen treten, ihnen die Problematik vermitteln und Leitlinien vorgeben. "Sonst konkurrieren sie sich gegenseitig kaputt."

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