Kurt Beck im Interview: Grüne haben sich gravierend geändert

Mainz · Nach dem Parteitag sprachen wir mit Ministerpräsident Kurt Beck über den Wahlkampf, die Koalitionsfähigkeit der Grünen, die Situation der FDP und die Forderung nach dem Rücktritt von Heinz Georg Bamberger.

Mit welchem Gefühl gehen Sie aus diesem Parteitag?

Beck: Mit großer Zufriedenheit und mit einer großen Freude darüber, dass ich nach so vielen Jahren an der Spitze der Partei und an der Regierung, ein solches Maß an Zustimmung bekomme. Das empfinde ich als etwas Besonderes. Zugleich ist die Partei auf beeindruckende Weise geschlossen. Auch das ist alles andere als eine Selbstverständlichkeit.

Die Partei erschien heute sehr selbstbewusst. Kann das den Kampfgeist schmälern, weil viele die Wahl schon für gewonnen halten?

Beck: Unsere Leute wissen, dass sie bei jeder Wahl kämpfen müssen, dass Rheinland-Pfalz nicht automatisch ein sozialdemokratisch regiertes Land ist. Im Moment habe ich den Eindruck, dass die Partei hoch motiviert ist, viele Mitglieder scharren schon mit den Hufen, weil sie endlich mit dem Wahlkampf beginnen wollen.

Die Grünen sind im Umfragehoch. Für wie koalitionsfähig halten Sie den rheinland-pfälzischen Landesverband?

Beck: Natürlich will ich jetzt nicht über Koalitionen in Rheinland-Pfalz spekulieren. Dennoch muss man sagen, dass die Grünen von heute viel praxisnäher, realistischer sind, als dies noch vor zehn Jahren war, als zum vorerst letzten Mal eine Grünen-Fraktion in den Mainzer Landtag eingezogen ist. Da hat sich etwas Gravierendes verändert.

Was würde dem politischen Rheinland-Pfalz ohne eine FDP-Fraktion fehlen, die um den Wiedereinzug kämpfen muss?

Beck: Es gibt eine Reihe von Politikern bei der FDP, die vieles für dieses Land getan haben. Aber die Suche der FDP nach sich selbst, lässt im Moment den Zweifel offen, ob sie wirklich in der Lage ist, einen großen Beitrag zum Vorankommen des Landes zu leisten. Das ist zumindest in ihrem jetzigen Zustand fraglich.

Hat es Sie getroffen, dass Ihr früherer FDP-Justizminister Herbert Mertin den Rücktritt von Heinz Georg Bamberger gefordert hat?

Beck: Die FDP liegt in den Umfragen zwischen vier und fünf Prozent. In einer solchen Situation greift man nach jedem Strohhalm. Ich kenne Herbert Mertin, ich schätze ihn persönlich sehr. Ich glaube nicht, dass es ihm in der Sache wirklich ernst ist, dafür ist er auch als Jurist zu versiert. Ich kann mir nicht vorstellen, dass er tatsächlich verlangt, dass wir jemand entlassen sollen, dessen Vorgehen zwei Instanzen überstanden hat und der erst in der dritten Instanz unterlag. Wenn das tatsächlich ein Rücktrittsgrund sein soll, dann wäre es übel um Deutschland bestellt.

Bamberger wurde immerhin Rechtsbruch attestiert, dagegen erheben sich kritische Stimmen aus der rheinland-pfälzischen Justiz.

Beck: Diese Stimmen stehen nur für einen Teil der rheinland-pfälzischen Justiz. Bei mir kommen ganz andere Stimmen an. Viele Juristen finden es ausgesprochen gut, dass jetzt auch mal jemand eine Chance bekommen hat, der wie Ralf Bartz unabhängig ist.

Die Opposition kritisiert, dass mit Bartz ein SPD-naher Jurist im Eilverfahren zum Präsidenten des Oberlandesgerichts Koblenz gemacht werden sollte.

Beck: Wer sagt denn, dass Bartz SPD-nah ist? Nicht jeder, der nicht in der CDU ist, ist automatisch SPD-nah. Bartz war ein erfahrener Präsident der Sozialgerichtsbarkeit. Und niemand hat je bestritten, dass auch Hans-Josef Graefen ein erfahrener Jurist ist. Als ich damals vom Justizminister unterrichtet wurde, hätte ich niemals gedacht, dass daraus einmal eine solche Auseinandersetzung erwachsen könnte.

Das Interview führte unser Mitarbeiter Dietmar Brück.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort