Länder ziehen an einem Strang, um zusätzliche Belastungen zu verhindern

Mainz · Der Fiskalpakt zur europäischen Schuldenkrise berührt nach Ansicht der Landesregierung existenziell die Interessen von Rheinland-Pfalz. Zusätzliche Belastungen für den Haushalt zeichneten sich ab, außerdem sei das Budgetrecht des Parlaments gefährdet.

Mainz. CDU-Chefin Julia Klöckner schafft es doch immer wieder, Ministerpräsident Kurt Beck auf die Palme zu bringen. Eigentlich will der Regierungschef am Mittwoch im Landtag zunächst Finanzminister Carsten Kühl reden lassen, doch das Wörtchen "kleinkariert" ruft ihn vorzeitig auf den Plan. Klöckners Vorwurf, so verhandle er in Berlin mit der Bundesregierung über den Fiskalpakt, erzürnt Beck. "Was soll denn dieses Gerede hier?", giftet er die Oppositionsführerin an. Später ruft er: "Es tut mir körperlich weh, wenn Sie so ein jämmerliches Zeug reden." Nach Auskunft des Ministerpräsidenten ziehen die 16 Bundesländer an einem Strang, um zusätzliche finanzielle Belastungen für ihre Kommunen zu verhindern. Stiegen die Zinsen für Kredite nur um zwei Prozent, bedeute das für die Kommunen Mehrausgaben von zwei Milliarden Euro jährlich. Der Bund müsse deshalb Kosten übernehmen.
SPD-Fraktionschef Hendrik Hering spricht von "massiven Auswirkungen für Rheinland-Pfalz" und veranschaulicht das später auf Nachfrage mit einem Beispiel: Die Eingliederungshilfe für Behinderte verursache für die Kommunen im Land Kosten von 500 bis 600 Millionen Euro pro Jahr, der Anteil steige um 100 Millionen Euro jährlich. Der Bund müsse den Anteil an steigenden Soziallasten übernehmen, weil die Kommunen sie nicht tragen könnten.
Hering warnt vor einer Aushöhlung des Budgetrechts des Landtags infolge des Fiskalpaktes und verweist darauf, Rheinland-Pfalz müsse mit seiner Exportabhängigkeit ein großes Interesse an Wachstumsimpulsen und der Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit in Europa haben, weil sonst die Wirtschaft einbreche. "Deutschland ist ein Netto-Profiteur von Europa."
Mitspracherecht gefordert


Das Mitspracherecht der Länder reklamiert auch Grünen-Fraktionschef Daniel Köbler. "Es kann nicht sein, dass die Bundesländer ausbaden müssen, was in Hinterzimmern in Berlin ausgeheckt wurde." Die Europapolitik von Bundeskanzlerin Angela Merkel sei "ein einziger Scherbenhaufen". Nur Sparen alleine helfe nicht aus der Krise.
Demgegenüber betont CDU-Chefin Julia Klöckner, Europa brauche neben einer Bankenaufsicht und einer Fiskalunion auch einen strikten Sparkurs und Strukturreformen. Dass die Landesregierung ständig mit dem Finger auf Berlin zeige, sei nicht hilfreich. "Die Probleme unserer Kommunen sind hausgemacht." Ihnen gehe es im Bundesvergleich überdurchschnittlich schlecht. "Es fehlt noch, dass Sie dem Fiskalpakt nur zustimmen, wenn der Bund Ihnen den Nürburgring entschuldet." Sachlich nähert sich Finanzminister Carsten Kühl dem Thema und mahnt mehr Solidarität in Europa an. Davon habe Deutschland in der Vergangenheit wie kein anderes Land profitiert und habe erst 2010 die letzten Schulden, die aus Reparationszahlungen nach dem Zweiten Weltkrieg resultiert hätten, zurückgezahlt.
Die ansonsten vor allem gegenüber Kurt Beck angriffslustige CDU-Chefin stimmen solche Töne versöhnlich. Ein "wohltuend konstruktiver Beitrag" sei das gewesen, lobt Klöckner - und sucht nach der Debatte auf der Terrasse des Landtags mit dem Finanzminister das Gespräch.

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