Sicherheit Land jagt Reichsbürger, die Pistolen bunkern
Trier/Kordel/Mainz · Behörden haben 53 Szene-Mitglieder mit Waffenerlaubnis aufgespürt. In der Region gab es zwei spektakuläre Fälle um Verschwörungstheoretiker.
Wenige Tage ist es her, dass das Landgericht Halle (Saale) einen einstigen Mister Germany wegen versuchten Mordes zu sieben Jahren Haft verurteilte. Der Mann soll bei der Zwangsräumung seines Grundstücks im August 2016 auf einen SEK-Beamten geschossen haben, der nur wegen seiner Schutzweste überlebte. Der Schütze, der Revision gegen das Urteil einlegte, soll ein Reichsbürger sein. Noch dramatischer endete im Oktober 2016 ein Schusswechsel zwischen einem Reichsbürger und Polizisten in Mittelfranken, durch den ein Beamter starb.
Auch für die Landesregierung in Rheinland-Pfalz waren solche Fälle ein Wendepunkt, die zuvor als vielleicht „verrückt“, aber harmlos geltende Reichsbürger-Szene nicht mehr zu unterschätzen. Innenminister Roger Lewentz (SPD) kündigte rasch an, man werde Reichsbürgern ihre Waffen entziehen. Den größten Fund stellten Behörden wohl in Kordel (Kreis Trier-Saarburg) sicher – mit mehr als 1000 Waffen.
Auch der Besitzer soll zur Reichsbürger-Bewegung gehören. Das Koblenzer Oberlandesgericht hatte dem Mann im vergangenen Jahr die Erlaubnis zum Waffenbesitz entzogen. In der Region ist das nicht der erste spektakuläre Fall, der sich um die Bewegung dreht.
Im vergangenen Jahr entfernte das Verwaltungsgericht Trier einen Polizisten aus dem Dienst, der ebenfalls zur Reichsbürgerszene gehörte. Der Beamte, der zuletzt als Sachbearbeiter in der Polizeiinspektion Morbach gearbeitet hatte, habe sich „von den wesentlichen Wertentscheidungen des Grundgesetzes losgesagt“, urteilte das Gericht. Wer die freiheitlich-demokratische Grundordnung schützen solle, könne dies nicht erfüllen, wenn er die Existenz der Bundesrepublik Deutschland verneine, sagte das Trierer Gericht.
In Rheinland-Pfalz geht das Innenministerium von 550 Reichsbürgern aus, von denen 77 als gewaltbereit gelten. 53 Reichsbürger mit waffenrechtlichen Erlaubnissen seien bislang erfasst, teilt eine Sprecherin des Ministeriums auf TV-Anfrage mit. In allen Fällen seien auf Veranlassung des Ministeriums behördliche Widerrufsverfahren von Waffenscheinen eingeleitet worden. 31 Fälle seien bereits erfolgreich abgeschlossen, 22 Verfahren liefen noch.
Seit der Verfassungsschutz die Szene systematisch erfasst, wächst die Zahl an Reichsbürgern im Land konstant. Noch Ende 2017 war das Land von 500 Reichsbürgern ausgegangen, die im Land leben.
Zu fast 70 Prozent seien die Mitglieder der Szene Männer, zu etwa 60 Prozent älter als 50 Jahre und landesweit am stärksten in Rheinhessen, Vorder- und Südpfalz vertreten. Nötig sei eine Beobachtung, weil Reichsbürger aggressives Verhalten zeigten, verbal drohten und in Einzelfällen gewalttätig würden.
Reichsbürger lehnen den Staat ab, denken oft in den Grenzen von 1937, argumentieren mit Verschwörungstheorien. „Behördlichem Handeln verweigert man sich konsequent, staatlichen Repräsentanten wird die Legitimation abgesprochen. Gesetze, Urteile und Bescheide werden missachtet“, heißt es im Verfassungsschutzbericht.
Das Agieren der Reichsbürger möge „abstrus und verstörend“ sein, harmlos sei es keinesfalls. „Von der Ablehnung des Staates bis zum Staatshass bedarf es mitunter nur eines kleinen Schrittes“, steht in dem Bericht, von dem das Land im Sommer eine Neuauflage vorstellt – dann vielleicht schon wieder mit höheren Zahlen.
Bis dahin heißt es aus dem Innenministerium in Mainz klar: „Fortwährend wird alles unternommen, um Personen des Reichsbürger-Spektrums waffenrechtliche Erlaubnisse zu versagen oder konsequent zu entziehen.“