Nach Kritik Land verbietet Abschiebungen aus Kliniken
Mainz · Behörden holten Frauen nachts aus Krankenhäusern ab. Nun reagiert Ministerin Spiegel auf die umstrittenen Vorfälle.
Kranke Flüchtlinge dürfen nicht aus Kliniken in Rheinland-Pfalz abgeschoben werden. Integrationsministerin Anne Spiegel (Grüne) verschickte am Freitag ein Rundschreiben an alle Ausländerbehörden, das verbietet, stationär aufgenommene Patienten aus Krankenhäusern abzuholen und abzuschieben. Damit reagiert das Ministerium auf jüngste Vorfälle in rheinland-pfälzischen Kliniken, bei denen Behörden junge Frauen aus Krankenhäusern holten und damit Empörung bei Flüchtlingsorganisationen auslösten.
Im Oktober 2018 scheiterte die Abschiebung einer schwangeren Iranerin, die Polizisten nachts aus dem Mainzer Uniklinikum holten, wo sie wegen einer Diabetes-Erkrankung behandelt wurde. Nach Angaben des Ministeriums habe das Trierer Verwaltungsgericht im Dezember die Reiseunfähigkeit der Frau bestätigt, die momentan im Kreis Alzey-Worms untergebracht sei. Im Januar holten Vollzugsbeamte eine Somalierin nachts aus dem Pfalzklinikum in Klingenmünster und schoben sie nach Italien ab. Verbände kritisierten eine „Nacht- und Nebel-Aktion“, warfen Behörden in Rheinland-Pfalz rabiaten Umgang vor.
Nun spricht Ministerin Spiegel ein Machtwort. Zum Zeitpunkt der Abschiebung müsse eine stationäre Behandlung beendet sein, stellt die Grünen-Politikerin in ihrem Schreiben an die Ausländerbehörden klar. Ob ein Patient entlassen werde, müsse ein Ober- oder Chefarzt entscheiden. Gespräche zwischen Ausländerbehörden und Kliniken müssen künftig auch in der Ausländerakte des Patienten dokumentiert sein. „Es gab inakzeptable Vorfälle, die mich sehr bewegt haben“, sagte Spiegel. Klinik-Mitarbeiter seien nachts „übertölpelt“ worden, kritisierte die Ministerin in Mainz. Das Rundschreiben schütze die Patienten und verleihe Kliniken mehr rechtliche Sicherheit.
Spiegel widersprach dem Verdacht, dass das Land mit den neuen Vorgaben bloß auf die harschen Vorwürfe von Flüchtlingsorganisationen reagiere. Diese hatten dem grünen Ministerium unterstellt, sich von einer humanitären Flüchtlingspolitik zu verabschieden und stärker auf Abschiebungen zu setzen. Vom Land forderten sie, Abschiebungen von Flüchtlingen aus Krankenhäusern generell zu untersagen. Spiegel sagte, sie habe den Wunsch, in solchen Fällen Klarheit zu schaffen, immer geteilt.
Das Ministerium habe bereits im vergangenen Jahr an einer verbindlichen Regel gearbeitet. Will eine Ausländerbehörde künftig einen Patienten abschieben, muss sie sich zunächst mit der Klinik absprechen, um den Entlassungstermin zu erfahren. Bleibe ein Patient länger als geplant in stationärer Behandlung, ist die Abschiebung verboten, auch wenn es dafür einen festen Termin gibt. Die Ausländerbehörde müsse ferner bei einer Abschiebung prüfen, ob der entlassene Patient reisen könne, mit ausreichend Medikamenten versorgt sei und ob er in einem anderen Land weiter behandelt werden müsse.
Die AfD lehnt es ab, Abschiebungen aus Krankenhäusern pauschal zu verbieten. Es stehe zu befürchten, „dass auch gesunde Personen versuchen könnten, sich durch das Vortäuschen einer Krankheit ihrer Rückführung zu entziehen“, sagt der Trierer Landtagsabgeordnete Michael Frisch. „Selbstverständlich haben dringende und notwendige medizinische Behandlungen grundsätzlich Vorrang gegenüber einer sofortigen Abschiebung. Allerdings muss seitens der betreuenden Ärzte sorgfältig geprüft werden, inwieweit die Reisefähigkeit der betroffenen Person tatsächlich eingeschränkt ist.“
Roland Graßhoff vom Initiativausschuss für Migrationspolitik nennt das Rundschreiben einen „Schritt in die richtige Hoffnung“. Er sagte: „Wir hoffen, dass Abschiebungen aus den Krankenhäusern in Zukunft nicht mehr stattfinden.“ Offen bleibe, ob Behörden Patienten unmittelbar nach ihrer Entlassung doch vom Krankenhaus-Gelände aus abschieben dürften.
Rheinland-Pfalz schob nach Angaben des Flüchtlingsrates im vergangenen Jahr insgesamt 1456 Menschen ab. Gemessen an den Aufnahmen lag das Land bei der Abschiebequote damit auf dem zweiten Platz hinter Nordrhein-Westfalen. Spiegel beteuerte in Mainz, weiterhin für eine humanitäre Flüchtlingspolitik einzustehen.