Nach Amokfahrt Land will Fußgängerzonen besser schützen
Trier/Mainz · Minister Lewentz (SPD) kündigt Zuschüsse für Poller an, sagt aber: „Absoluter Schutz ist nicht möglich.“ Als größte Herausforderung für Trier nennt Oberbürgermeister Leibe, Traumatisierten zu helfen. Polizei nennt neue Details zur Amokfahrt.
Nach der Amokfahrt von Trier sollen Städte ihre Fußgängerzonen noch besser vor Angriffen mit Autos schützen. Geht es nach dem rheinland-pfälzische Innenminister Roger Lewentz (SPD), sollen Mittel aus einem jährlich 90 Millionen Euro umfassenden Topf für Städtebau im Land künftig auch fließen, wenn Kommunen „feste Schutzeinrichtungen installieren wollen“. Dazu zählten versenkbare Poller oder Sitzmöbel, die in der Erde verankert sind und als Sperren dienen, so Lewentz.
Die Lage habe sich seit Amokfahrten in Münster 2018, Bottrop 2019 und nun in Trier geändert, sagte der Minister unserer Zeitung auf Anfrage. „Die traurige Erkenntnis ist, dass solche Taten nicht nur bei Weihnachtsmärkten oder großen Festen geschehen können, sondern jederzeit“, bedauerte Lewentz. Ein absoluter Schutz vor „irrational handelnden Einzeltätern“ sei trotz aller Anstrengungen aber nicht möglich, „so schwer es mir als Innenminister fällt, das zu sagen“, betonte der SPD-Politiker bei einer Sondersitzung des rheinland-pfälzischen Innenausschusses zur Amokfahrt von Trier.
Lewentz regte auch an, bei der Innenministerkonferenz in der kommenden Woche für eine Arbeitsgruppe werben zu wollen, die Amokfahrten und Anschläge früher erkennen kann. Wie das gelingen soll, ließ der Minister offen.
Bei dem 51-jährigen Amokfahrer aus Trier schließen die Behörden derzeit einen politisch motivierten Hintergrund und mögliche Mittäter aus. Franz-Dieter Ankner, Vizepräsident der Trierer Polizei, äußerte Details zur Festnahme des Amokfahrers, der durch die Simeonstraße mit 81 Stundenkilometern gerast sei und die Polizisten vor seiner Verhaftung „grinsend“ erwartet hätte. Entschärfer prüften Kartons, die in dem Wagen des Mannes lagen, auf Sprengstoff – und gaben Entwarnung. Dafür fanden Ermittler scharfe Munition. „Es fehlte aber eine geeignete Waffe, die bislang nicht aufgefunden wurde“, sagte Ankner, der eine „unfassbare, grauenhafte Szenerie“ in der Trierer Innenstadt nach der Tat beschrieb.
Der Trierer Oberbürgermeister Wolfram Leibe (SPD) sprach davon, dass die größte Herausforderung für die nächsten Monate sei, die psychosoziale Unterstützung von Betroffenen und Augenzeugen sicherzustellen. „In der Stadt haben mehrere Hundert Menschen gesehen, wie Menschen ermordet worden sind“, sagte Leibe. Er dankte dem rheinland-pfälzischen Opferbeauftragten Detlef Placzek, mit dessen Hilfe 14 Stunden nach der Tat bereits eine kostenlose Hotline für Augenzeugen und Betroffene geschaltet war. Ersthelfer, Opfer und Augenzeugen können die kostenlose Hotline unter der Nummer 0800 001 0218 erreichen und bekommen dort Hilfe.
Leibe verglich die Lage in Trier mit der im baden-württembergischen Winnenden, wo ein früherer Schüler im Jahr 2009 bei einem Amoklauf 15 Menschen getötet hatte und die Stadt in einen langen Schockzustand versetzte. Leibe lobte aber zugleich die unbändige Hilfsbereitschaft in Trier. Die Amokfahrt sei die „Geschichte eines brutalen, heimtückischen Mordes“, aber auch die „Geschichte von Menschen, die einen exzellenten Job gemacht haben“. Er nannte Polizisten, Rettungskräfte, Seelsorger, aber auch Bürger, „die vor dem Auto weggesprungen sind und nur Minuten später in der Stadt die Leben anderer gerettet haben, bis die Rettungskräfte zur Hilfe gekommen sind“, erzählte Leibe gerührt. „Das sind positive Geschichten. Ich möchte mich bei allen für ihr Mitgefühl bedanken“, sagte Leibe.
Abgeordnete von SPD, CDU, FDP, Grünen und AfD dankten den Einsatzkräften. Innenminister Lewentz sagte, er habe die Schweigeminute am Donnerstag um 13.46 Uhr bei der Polizeiinspektion Saarburg verbracht, „wo über ein Dutzend Beamter spontan und direkt zum Einsatz nach Trier gefahren ist“. Parlamentarier quer durch alle Lager lobten auch den Trierer Bürgermeister dafür, wie er die Krise meistere.
Scharfe Kritik äußerten Abgeordnete dagegen an irren Verschwörungstheoretikern, die in sozialen Netzwerken die Amokfahrt klein redeten oder gar leugneten. CDU-Fraktionschef Christian Baldauf sprach von „Spinnern und Idioten, die aberwitzig dumm sind und sich unter dem Deckmantel der Anonymität verstecken.“