Politik FDP-Landeschef warnt vor „Obrigkeitsstaat“

Mainz · Volker Wissing fordert, der Bevölkerung massive Einschränkungen besser zu erklären. Die angehende Spitzenkandidatin Daniela Schmitt erntet Applaus. In ihrem Programm zur Landtagswahl fordert die Partei digitale Lehrerfortbildungen, 24-Stunden-Kitas, Jagd auf den Wolf und eine Prämie bei Hofübernahmen.

 Daniela Schmitt, Staatssekretärin und stellvertretende FDP-Landesvorsitzende, und Volker Wissing, FDP-Landesvorsitzender und Wirtschaftsminister, beim Landesparteitag der rheinland-pfälzischen FDP.

Daniela Schmitt, Staatssekretärin und stellvertretende FDP-Landesvorsitzende, und Volker Wissing, FDP-Landesvorsitzender und Wirtschaftsminister, beim Landesparteitag der rheinland-pfälzischen FDP.

Foto: dpa/Frank Rumpenhorst

FDP-Generalsekretär Volker Wissing hat die Corona-Politik der Bundesregierung scharf attackiert. Auf dem Landesparteitag der Liberalen in Mainz mahnte der 50-Jährige, Kritik an Beschlüssen zu erlauben, nicht alle Gegner von Einschränkungen zu verunglimpfen, Entscheidungen besser zu erklären und nicht mit Worten wie „Öffnungsorgien“ unsanft vom Tisch zu wischen. „Ich will nicht von einer Kavallerie und aus den Hinterzimmern regiert werden. Wir sind ein freies Volk und wollen erklärt bekommen, was da passiert“, sagte Wissing, der zugleich Landeschef der rheinland-pfälzischen Liberalen ist. Beim Parteitag kämpfte er sich leidenschaftlich an CDU und CSU ab.

„Bei allem Mainstream, sich hinter die Anordnungen von Angela Merkel und Markus Söder zu stellen, braucht es eine Partei, die sagt: Nein, wir wollen so wenig Grundrechtseingriffe wie möglich, nein, wir wollen keinen Obrigkeitsstaat“, sagte Wissing, fuchtelte wild mit dem Zeigefinger in der Luft und genoss sichtlich den Applaus der rund 160 FDP-Delegierten.

Einen neuen Lockdown schloss der Wirtschaftsminister von Rheinland-Pfalz aus. Wo regional das Infektionsgeschehen steige, müsse gehandelt werden. „Wir wollen aber keine deutsche Einheitsregel, die das Leben in der Eifel einschränkt, weil Zahlen bei Markus Söder in Bayern nach oben gehen“, betonte Wissing. „Schulen“, legte er nach, „werden wir nicht mehr flächendeckend schließen können und wollen es auch nicht.“ Um die Folgen der Corona-Krise zu bekämpfen, brauche es ein zweites Wirtschaftswunder, das möglich sei. Dafür müsse der Staat aber den Idealen von Ludwig Erhard folgen und „die Finger aus dem Teig der Unternehmen“ ziehen. Ohne eine Steuerreform, stellte Wissing fest, werde es im Bund „keine Regierungsbeteiligung mit der FDP geben“.

Der Weg dahin ist aber noch ein weiter für die Liberalen: Erst einmal muss die FDP in Bund und Land in die Parlamente einziehen. In Umfragen überspringen sie die Fünf-Prozent-Hürde recht knapp. Trotzdem nennt Wissing für die Wahl in Rheinland-Pfalz ein optimistisches Ziel. „Wir wollen ein zweistelliges Ergebnis einfahren. Das halte ich für realistisch, weil wir eine lebendige Partei sind und eine starke Frau an der Spitze haben.“ Damit meinte er Wirtschaftsstaatssekretärin Daniela Schmitt, die im Land mobilisiert, während Wissing die Liberalen als Bundesgeneralsekretär mitreißen soll. Beim Parteitag in Mainz funktionierte das Tandem ganz gut, auch wenn die designierte Spitzenkandidatin in ihrer Rede vermied, provokative Schlaglichter des Programms wie die Forderung nach verpflichtenden digitalen Lehrerfortbildungen oder 24-Stunden-Kitas aufzugreifen. Die Bankerin warb dafür, die berufliche Bildung im Land zu stärken („Wir wollen Midlife-Bafög statt Midlife-Krise“), Gründer zu fördern und verzichtete auf polternde Töne.

Dennoch klatschten die Delegierten am stärksten in die Hände, als sich Schmitt von der Verkehrspolitik des grünen Koalitionspartners im Land abgrenzte.  „Wir sind nicht die CDU, die völlig ambitionslos nur möglichst viel Geld verbauen will. Und wir sind nicht die Grünen, die aus einer rein städtischen Perspektive den Autoverkehr bekämpfen“, sagte die 48-Jährige. Zu moderner Verkehrspolitik gehöre, Individualverkehr im ländlichen Raum und den ÖPNV in den Städten zusammen zu denken. Die FDP beteilige sich nicht an „der grünen Trendsportart Stadt gegen Land“, betonte Schmitt. In ihrem Programm bekennen sich die Liberalen zu regionalen Verkehrsprojekten wie dem Moselaufstieg in Trier und dem A 1-Lückenschluss in der Eifel.

Eine Koalitionsaussage verweigerte die Spitzenkandidatin der Liberalen, die am 7. November auf einem weiteren Parteitag gekürt werden soll.  „Wer die FDP wählt, wählt kein Bündnis, nicht Jamaika, nicht die Ampel, nicht Schwarz-Grün, sondern liberale Politik“, sagte Schmitt, die als Wirtschaftsstaatssekretärin derzeit mit SPD und Grünen im Land regiert. Ein Signal in Richtung Sozialdemokraten sah mancher Beobachter trotzdem darin, dass politische Spitzen gegen die SPD nahezu ausblieben, obwohl die FDP mit „weltbester Bildung“ in ihrem Programm wirbt. Nur Juli-Landeschef Luca Lichtenthäler frotzelte in Richtung von SPD-Bildungsministerin und Kultusministerkonferenz-Chefin Stefanie Hubig, dass viele Klassenzimmer noch an vergangene Jahrhunderte erinnerten. „Ich würde die KMK-Vorsitzende gerne für eine Digitaloffensive loben. Leider ist da wenig bis gar nichts passiert“, sagte Lichtenthäler.

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