Landespolitiker grübeln über die Zukunft am Ring

Mainz · Nach der spektakulären Kündigung des Pachtvertrages zwischen dem Land und den privaten Betreibern des Nürburgrings wollen SPD, Grüne und CDU in einer Sondersitzung des Innenausschusses diskutieren. Dabei soll die Regierung die finanziellen Folgen und ihre Pläne darlegen.

Mainz. Wie geht es an der legendären Eifel-Rennstrecke weiter? Diese Frage stand gestern bei den Fraktionssitzungen von SPD, CDU und Grünen im Vordergrund. CDU-Chefin Julia Klöckner kritisiert: "Das ist alles sehr traurig für den rheinland-pfälzischen Steuerzahler!"
Laut CDU wirft die Kündigung viele Fragen auf. Die Landesregierung wolle aus Verträgen aussteigen, die sie nie hätte abschließen dürfen. Es liege der Verdacht nahe, dass die Bürger im Vorfeld der Landtagswahl im März 2011 bewusst getäuscht worden seien.
Die Union will vor allem die Rücklage von 254 Millionen Euro hinterfragen, die Rot-Grün im Landeshaushalt zur Absicherung von Risiken der fast landeseigenen Nürburgring GmbH nutzen will. Ein Fraktionsmitglied redet gegenüber dem TV Klartext: "Wir wollen die Regierung zwingen, ihren Offenbarungseid am Ring abzulegen." Der Eifeler CDU-Abgeordnete Michael Billen schaut in die Zukunft: "Wir müssen die Eifel und den Ring retten!" Billen schlägt eine überparteiliche Arbeitsgruppe vor, die mit Abgeordneten sowie Wirtschaftsexperten und Juristen der Region besetzt ist. Sie solle vertraulich den Ist-Zustand beleuchten und ausloten, wie es weitergehe. "Zwei Anläufe wurden in den Sand gesetzt - der dritte muss klappen", sagt Billen.
Derweil laufen bei Rot-Grün die Planungen für einen Neubeginn. SPD-Fraktionschef Hendrik Hering sagt auf TV-Anfrage, er gehe davon aus, dass es im Streit mit den Pächtern Jörg Linder und Kai Richter zu einer außergerichtlichen Lösung und nicht zu einem langwierigen Rechtsstreit komme. Daran müssten sie ein Interesse haben. Offenbar irrt der Sozialdemokrat da aber gewaltig (siehe Extra).
Aus Koalitionskreisen verlautet, es sei vorstellbar, dass Lindner weiterhin das Vier-Sterne-Hotel und das Drei-Sterne-Haus sowie das Feriendorf betreibe. Dafür habe er außerhalb des Pachtvertrages einen Managementvertrag. Die Rennstrecke und die Nordschleife sollen vorübergehend von der Nürburgring GmbH gemanagt werden, sobald man sich mit Lindner und Richter geeinigt hat. Grundsätzlich will das Land aber nicht wie in der Vergangenheit die Geschäfte via Ring GmbH führen, sondern sie einem Privaten überlassen.
Bei der Neuausschreibung, die höchstwahrscheinlich in Teillosen erfolgen wird, soll die Region durch das Dialogforum, dem Kommunalpolitiker, Gewerbevereine, Abgeordnete, Unternehmer und Gewerkschafter angehören, eingebunden werden. Bislang hat es ein Mal getagt. Für die schwierigen Komplexe Boulevard, Ringwerk und Arena, die wegen Besuchermangels derzeit nur auf Anfrage geöffnet werden, könne man ein Interessensbekundungsverfahren starten, schlägt Hendrik Hering vor.
Gerätselt wird, weshalb Kurt Beck am Dienstag bei der Pressekonferenz, als die Trennung von den Pächtern verkündet wurde, nicht dabei war - und was das zu bedeuten hat. Der Ministerpräsident, Martin Stadelmaier als Chef der Staatskanzlei, Hendrik Hering, Finanzminister Carsten Kühl und Innenminister Roger Lewentz (alle SPD) hatten sich zuvor intern über den Kurs abgestimmt. Dabei wurde nach TV-Informationen geklärt, dass der Regierungschef durch sein Fernbleiben die Aufmerksamkeit und damit die Kritik auf sich zieht. Öffentlich erklärte Lewentz das Vorgehen damit, ihm sei zuvor Untätigkeit vorgeworfen worden.
Insider erzählen, der Ministerpräsident wolle auf keinen Fall, dass die Causa Nürburgring seine potenziellen Nachfolger beschädigt sowie die Regierung in Gänze noch lange durch Negativschlagzeilen belastet. Rot-Grün hofft deshalb, dass der jetzt erfolgte Befreiungsschlag gelingt.Extra

Die Pächter am Ring planen unverdrossen die neue, angeblich ausgebuchte Saison mit 400 Veranstaltungen und setzen ihren Konfrontationskurs fort. "Die besten Wirtschaftsanwälte Deutschlands werden nun zumindest auf Seiten der NAG (Nürburgring Automotive GmbH) juristisch gegen die Kündigungen vorgehen", schreibt Sprecher Karl-Heinz Steinkühler in seinem Internetblog. Ein langer Prozess werde sichtbar, den das Land längst noch nicht gewonnen habe. Steinkühler spießt die Äußerung von Wirtschaftsministerin Eveline Lemke (Grüne) auf, dass man über einen Rückbau von Gebäuden nachdenken müsse. Rückbau heiße Abrissbirne, Abrissbirne heiße Abschreiben der Millionen-Investitionen und das Eingeständnis, "dass Kurt Beck mit seinem angeblichen Freizeitpark vor zwei Jahren eine Schrottimmobilie in die Eifellandschaft gestellt hat". Zum Glück würden die "standhaften Privatiers am Ring" Rot-Grün vor weiteren Millionenverlusten schützen und weiter auf ihrer Nordschleife fahren, "2012, 2013 …"fcgExtra

Der Landesrechnungshof beleuchtet in seinem neuen Jahresbericht den Konzessionsvertrag für das Formel-1-Rennen 2011 zwischen der landeseigenen Nürburgring GmbH und den privaten Betreibern. Fazit: Bestandteile des Vertrages seien nachteilig für das Land und gingen möglicherweise zulasten des Steuerzahlers. So hätten die Betreiber Lindner/Richter Kosten für ihre Aufwendungen geltend gemacht, die um 27 Prozent über denen des Rennens 2009 lägen. Die Pächter beanspruchten auch 1,5 Millionen Euro aus dem Verkauf von 9000 Eintrittskarten mehr, als ihnen nach der Vertragsauslegung seitens der Ring GmbH zustünden. Die Gesamtkosten für das Rennen 2011 von 13,5 Millionen Euro würden voraussichtlich um deutlich mehr als eine Million überschritten.fcg

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