Finanzausgleich Millioneneinbußen für die Region? - Landräte rebellieren gegen Ampelregierung

Trier/Daun/Mainz · Im Streit um Kommunalfinanzen fürchten Kreise, bei Schulen und Straßen sparen zu müssen.

Umstrittene Reform des kommunalen Finanzausgleichs in Rheinland-Pfalz: Die Landräte fordern deutlich mehr Geld von der Landesregierung.

Umstrittene Reform des kommunalen Finanzausgleichs in Rheinland-Pfalz: Die Landräte fordern deutlich mehr Geld von der Landesregierung.

Foto: dpa/Jens Büttner
Heinz-Peter Thiel Landrat des Kreises Vulkaneifel im Interview des TV Foto: Klaus Kimmling

Heinz-Peter Thiel Landrat des Kreises Vulkaneifel im Interview des TV Foto: Klaus Kimmling

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Ein Tablet liegt vor Heinz-Peter Thiel auf dem Tisch, doch der Landrat des Vulkaneifelkreises ignoriert den kleinen Computer. Selig schaut er hin und her, lächelt, legt die Handflächen ineinander. „Was wir erleben, ist ein historischer Zusammenschluss“, sagt Thiel irgendwann in den Raum hinein, in dem Landräte aus ganz Rheinland-Pfalz sitzen – von der Eifel bis in die Pfalz. Sie protestieren alle mit einer Stimme gegen das Land. Der Grund: das liebe Geld. Die Kreise stören sich daran, wie die rot-gelb-grüne Ampelkoalition den kommunalen Finanzausgleich reformieren will. Bei der Landrätekonferenz in Mainz warnen sie vor Millioneneinbußen – und vor Folgen für Bürger im ländlichen Raum.

Was die Landräte stört: Mehr als 70 Millionen Euro gingen den Kreisen durch die geplante Gesetzesänderung des Landes pro Jahr verloren, bringt Günther Schartz (CDU) vor. Im Raum Trier büßen die Kreise nach den Berechnungen fast 11,4 Millionen Euro ein, besonders hart trifft es dabei Bernkastel-Wittlich (rund 3,7 Millionen Euro) und Trier-Saarburg (3,1 Millionen Euro), wo Schartz zugleich Landrat ist. Die Kreise monieren, dass ihnen bei den Erhöhungen der Landeszuweisungen von 133 Millionen Euro nichts übrig bleibt, 94 Millionen Euro fließen demnach an die kreisfreien Städte, der Rest in die Ortsgemeinden. „Wir erwarten Verteilungsgerechtigkeit“, sagt Schartz, der dem Land vorwirft, die steigenden Ausgaben der Kreise wie bei Kindertagesstätten und Flüchtlingen zu verschweigen. Walter Görisch (SPD), Landrat von Alzey-Worms, spricht davon, dass Kreise 60 Prozent der Sozialleistungen zahlen. Marlon Bröhr (CDU) aus dem Rhein-Hunsrück-Kreis wettert gegen die Landesregierung: „Da können sie im Fernsehen noch so lächelnd-charmant vortragen, dass es eine Politik für den ländlichen Raum gibt. Es gibt sie nicht. Und wir alle machen uns große Sorgen.“ Der Vulkaneifeler Thiel klagt: „Es ist krass, wie ungerecht die Kreise behandelt werden.“

Was die Landräte fürchten: Herrscht in den Kassen Ebbe, gibt es keine Flut an Investitionen, stellen sie klar. Im Gegenteil: „Wir müssen uns dann die Frage stellen, ob wir Straßen verrotten lassen oder neue Schulden aufnehmen“, sagt Achim Schwickert (CDU) aus dem Westerwaldkreis. Andere Landräte befürchten, millionenschwere Sanierungen maroder Schulgebäude auf Eis legen zu müssen. Heinz-Peter Thiel sagt, dass der Vulkaneifelkreis für eine Ausweitung des öffentlichen Personennahverkehrs im ländlichen Raum künftig jährlich freiwillig einen Millionenbetrag investiere. „Dann ärgere ich mich natürlich, wenn wir im vor Ort bei der Mobilität anpacken und dann merken, wie wenig wir an den Zahlungen des Landes teilhaben“, schimpft er. Günther Schartz verbindet die Einbußen auch damit, dass die Kommunen kaum mehr Schulden abbauen könnten. Bettina Dickes (CDU) vom Landkreis Bad Kreuznach warnt aber davor, dass verschuldetete Kreise dann ihre Umlagen erhöhen und Dörfer weiter ausbluten. Ständig stehe die Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion „auf der Matte“ und verlange, „Dörfern mehr Geld abzuziehen“, poltert sie. „Manche Gemeinden können dann gar nicht mehr das Leben vor Ort gestalten. Und in manchen Dörfern hat das zur Folge, dass kein Mensch mehr für das Bürgermeisteramt kandidiert, weil dort keiner mehr gestalten kann.“

Wie die Landräte vorgehen: Die Landräte fordern von der Ampelkoalition, jährlich zusätzliche 300 Millionen Euro in den kommunalen Finanzausgleich zu stecken. Sie spekulieren darauf, dass die Regierung einknickt. Über einen Fragenkatalog, den sie an die Landtagsabgeordneten verschickt haben, wollen sie zunächst sanft in einen parlamentarischen Dialog treten. Doch auch harte Töne scheuen sie nicht: Sollte das Land auf seinen Plänen beharren, drohen einige Kreise bereits jetzt mit einer Klage.

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