Lehrer und Unternehmer warnen: Zu viele Kinder machen Abitur
Trier · Steht die betriebliche Ausbildung vor dem Aus, weil immer mehr Schulabgänger studieren, statt einen Beruf zu lernen? Unternehmen und Gymnasiallehrer warnen vor dieser Entwicklung. Sie fordern ein Umdenken der Eltern.
Gymnasiallehrer im Land schlagen Alarm: Weil immer mehr Schüler Abitur machen, werde das Niveau der Hochschulreife möglicherweise gesenkt, die Zahl der Studienabbrecher steige. "Es ist höchste Zeit, dass Deutschland den gefährlichen Weg verlässt und sich auf seine Stärken in Industrie, Handel und Handwerk besinnt", sagt Malte Blümke, Gymnasiallehrer in Trier und Landesvorsitzender des Philologenverbands, der die Interessen von Gymnasiallehrern vertritt.
Mehr als ein Drittel der Schulabgänger in der Region hat im vergangenen Jahr Abitur gemacht. Der Trend hält an. 2547 Schüler wurden für das kommende Schuljahr an öffentlichen und privaten Gymnasien in der Region angemeldet. Laut rheinland-pfälzischem Bildungsministerium wechseln 42,5 Prozent der Grundschüler auf Gymnasien.
Sind Akademiker eine Gefahr für das Handwerk? Unternehmer fordern Gleichstellung der Ausbildungssysteme
Die Landesregierung findet das gut: Die Tatsache, dass immer mehr Schüler einen höheren Schulabschluss hätten, sei vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels positiv zu bewerten, sagt ein Sprecher von Ministerin Vera Reiß (SPD). Internationale Vergleiche haben Deutschland außerdem wiederholt zu wenige Akademiker bescheinigt.
Die meisten Eltern sähen im Abitur - als Dreh- und Angelpunkt des deutschen Schulsystems - immer noch die besten Zukunftschancen für ihre Kinder, sagt auch Hjalmar Brandt, Landesgeschäftsführer des Verbandes Bildung und Erziehung.
Sowohl Industrie- und Handelskammer (IHK) als auch die Handwerkskammer (HWK) warnen allerdings wie die Gymnasiallehrer vor "Akademisierungswahn". Das Abitur werde immer mehr entwertet, sagt HWK-Geschäftsführer Günther Behr. Eltern müsse vermittelt werden, dass späterer beruflicher Erfolg der Kinder nicht vom Abi abhänge, sagt IHK-Geschäftsführer Marcus Kleefisch. Eine berufliche Ausbildung sei gleichwertig mit einer Hochschulausbildung.
Der Koblenzer Professor Stefan Sell sagt: Weil immer mehr junge Menschen studieren, statt eine Lehre zu beginnen, sei das betriebliche Ausbildungssystem gefährdet. Dieses will die Bundesregierung nun mit einem Milliardenprogramm fördern.