Leichenschmaus ohne Leiche

TRIER. Ein wegen Mordes an seiner Ehefrau angeklagter Mann aus Nittel (Kreis Trier-Saarburg) ist abermals von einer Zeugin schwer belastet worden. Der 45-jährige Thomas B. soll die Freundin seiner Frau schon zum Beerdigungskaffee eingeladen haben, bevor die Leiche von Michaela B. gefunden war.

Es gibt Momente, da stockt selbst langjährigen Justizbeobachtern der Atem. Als eine
ehemalige Arbeitskollegin und Freundin des Opfers am sechsten Verhandlungstag gegen Thomas B. von ihren letzten Gesprächen mit dem Angeklagten berichtet, geht ein Raunen durch die wie stets voll besetzten
Zuschauerreihen im Trierer Landgericht. Ungläubiges Staunen, Kopfschütteln, Gemurmel – Reaktionen auf den von der Zeugin aus der Erinnerung wiedergegebenen Wortlaut des letzten Telefonats mit Thomas B.
Das war an einem Samstagnachmittag Anfang November, am Tag nach dem Verschwinden seiner Ehefrau. „Da hat der Tom angerufen und mir gesagt: Ich weiß, dass Michaela tot ist; ich fühle das. Vermutlich hat
ein ausländischer Erntehelfer sie verschleppt und missbraucht. Vielleicht haben sie ihr einen Knüppel über den Kopf geschlagen.“

Was zu diesem Zeitpunkt eigentlich nur der Täter wissen kann: Die 38 Jahre alte Mutter eines damals zehnjährigen Sohnes wurde erst vergewaltigt, dann bewusstlos geschlagen, bevor der Frau die tödlichen
Kopfverletzungen zugefügt worden.

Als Thomas B. mit der Zeugin sprach, war die in einem Waldweg bei Wellen liegende Leiche seiner Ehefrau allerdings noch gar nicht gefunden. Trotzdem soll ihr Mann die langjährige Arbeitskollegin bereits zum
Leichenschmaus eingeladen haben. „Kommt ihr auf die Beerdigung und den Kaffee“, habe Tom sie am Telefon gefragt, erinnert sich die Zeugin im Gericht. Sogar die Lokalität – eine Gaststätte in Nittel – soll
Thomas B. an diesem Samstagnachmittag schon genannt haben. Nach einer am zweiten Prozesstag verlesenen Erklärung seines Verteidigers Otmar Schaffarczyk wurde der Ehemann erst abends gegen 20.30 Uhr
durch Polizeibeamte über die ermordet aufgefundene Ehefrau informiert.

Je länger der Prozess vor der Ersten Schwurgerichtskammer dauert, je mehr Zeugen gehört werden, desto mehr schwimmen dem nach wie vor schweigenden 45-jährigen Gemeindearbeiter die Felle davon. Für ihn
spricht bis dato nur die (bei der Polizei gemachte) Aussage seiner 74 Jahre alten Mutter, die dem Sohn für die wahrscheinliche Tatzeit (Freitag zwischen 17 und 19 Uhr) ein nahezu lückenloses Alibi gegeben hat.
Dem entgegen steht allerdings die Aussage der Hauptbelastungszeugin, einer Unternehmerin aus dem Ort ( TV vom 10. März). Die 38-Jährige ist sich „hundertprozentig sicher“, Thomas B. am Abend des
Verschwindens seiner Frau in Nittel gesehen zu haben; an einer Stelle (Ecke Weinstraße, Schulstraße), die wegen ihrer Lage pikant ist. Sollte der Angeklagte nämlich tatsächlich seine Frau im Wellener Wald
umgebracht haben, bevor er von dort die rund drei Kilometer zu Fuß nach Hause ging, ist er mit einiger Wahrscheinlichkeit an dieser Stelle am Nitteler Bach vorbei gekommen.

Wegen der offenkundigen Widersprüche hat Staatsanwalt Eric Samel zwischenzeitlich auch ein Ermittlungsverfahren gegen die Mutter des Angeklagten eingeleitet – wegen möglicher Falschaussage. Der Prozess
gegen Thomas B. wird am Mittwoch fortgesetzt.

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