Leiharbeiter müssen bangen
Die allgemeine Rezession schlägt bei den Leiharbeitern besonders hart zu. Obendrein sorgen Berichte über Hungerlöhne in der Zeitarbeitsbranche immer wieder für Ärger.
Berlin. Die Zeitarbeit gilt als ideales Instrument zur Flexibilisierung des Arbeitsmarktes. Unternehmen können damit Auftragsspitzen besser bewältigen. Das rechnet sich, und auch die Stammbelegschaft ist zufrieden. Soweit die Theorie. In der Praxis hat die Zeitarbeit mit Problemen zu kämpfen, die ihre Akzeptanz erheblich schmälern.
Nach den jüngsten Daten der Bundesagentur für Arbeit gab es Mitte 2008 noch 715 000 Leihbeschäftigte. Inzwischen ist ihre Zahl schon auf 546 000 gesunken. Auch die Kurzarbeit kann in diesem Sektor offenbar keine Wunder bewirken. Und eine Qualifizierung während der Kurzarbeit, die der Staat dem Arbeitgeber mit zusätzlichen Kostenvergünstigungen schmackhaft macht, schon gar nicht. Nach Branchenangaben ist jeder dritte Zeitarbeiter ausschließlich für einfache Hilfstätigkeiten geeignet. Eine wirkungsvolle Weiterbildung würde den Zeitrahmen der Kurzarbeit sprengen.
Dabei ist die Zeitarbeit gerade für gering Qualifizierte eine Chance, um sich von staatlicher Fürsorge unabhängiger zu machen. Nur jeder dritte Mitarbeiter hatte bereits einen festen Job, bevor er von einer Leiharbeitsfirma eingestellt wurde. 60 Prozent waren arbeitslos. Sieben Prozent verfügten über keinerlei Berufserfahrung. Den sogenannten Klebeeffekt, also die dauerhafte Übernahme des ausgeliehenen Beschäftigten durch den Entleihbetrieb, beziffert der Arbeitgeberverband AMP auf 30 Prozent.
Das Problem mit den Mindestlöhnen
Knapp jeder dritte Leiharbeiter wechselt unter normalen wirtschaftlichen Bedingungen also irgendwann in eine Festanstellung.
Bleibt die Entlohnung. Zuletzt sorgte eine Wuppertaler Firma für Empörung, die ihre Leiharbeiter mit einem Stundenlohn von 2,71 Euro abspeiste. Damit gerät die gesamte Branche in Verruf. Wahr ist allerdings auch, dass im Bereich der drei großen Zeitarbeitsverbände BZA, IGZ und AMP die tariflichen Stundenlöhne zwischen 7,21 Euro und 7,51 (im Westen) liegen. Im Osten werden sechs Euro bis 6,50 Euro gezahlt. Diese Vergütung ist für rund 400 000 Zeitarbeiter bindend. Ein weiterer Tarifvertrag sieht im Westen eine Lohnuntergrenze von 7,18 Euro vor. Für die allermeisten Zeitarbeiter sind die Unterschiede bei der Grundvergütung also nicht übermäßig groß.
Trotzdem kämpft Arbeitsminister Olaf Scholz (SPD) schon seit Monaten für einen einheitlichen Mindestlohn in der Branche. Würde er sich durchsetzen, entstünde ein neues Problem, das zum Arbeitsbeschaffungsprogramm für Juristen werden könnte. Mittlerweile gibt es bereits für zwölf Wirtschaftszweige verbindliche Mindestlöhne. Wird ein Zeitarbeiter zum Beispiel an eine Abbruchfirma oder eine Wäscherei ausgeliehen, dann gilt für ihn die dortige Lohnuntergrenze als Mindestvergütung. Aber welcher Lohn zählt, wenn für die Leiharbeitsbranche ebenfalls ein Mindestlohn festgelegt wäre, der womöglich niedriger ausfällt? Darüber streiten sich die Geister. Im Kern hat es die Zeitarbeit selbst in der Hand, ihr schlechtes Image aufzupolieren. Die großen Arbeitgeberverbände müssen sich viel stärker von den schwarzen Schafen und ihren skandalösen Hungerlöhnen distanzieren, als das bisher geschehen ist. Auch sollten sie gemeinsam darauf dringen, dass ein Leiharbeiter nach einer gewissen Karenzzeit den gleichen Lohn im Entleihbetrieb erhält wie die dortige Stammbelegschaft. Zudem könnte die Zeitarbeit ausdrücklich mit Qualifizierungsschritten für sich werben.