Löcher in Säckel und Straßen

MAINZ. Die Kommunen ächzen unter wachsenden Milliardendefiziten, und Politiker streiten um Geld und Interessen: In diesem Geflecht habe sich eine Finanzreform für die Gemeinden bisher als unerfüllbare Mission erwiesen, urteilt der Trierer Kommunalwissenschaftler Martin Junkernheinrich.

"Wir sparen gewaltig", sagt Triers Oberbürgermeister Helmut Schröer: Weniger Personal und Investitionen, die auf dem Stand von vor zehn Jahren liegen. "So sehen unsere Straßen und Schulen auch aus", stellt der Rathauschef der Kommune mit der landesweit höchsten Pro-Kopf-Verschuldung fest. Rund 213 Millionen Euro Schulden lasten auf den 100 000 Einwohnern, dazu noch einmal ein Fehlbetrag, der 2004 auf 67 Millionen Euro anwächst. Rund 135 Millionen Euro Ausgaben sind der Moselmetropole laut Schröer zwischen 1991 und 2001 von Bund und Land aufgedrückt worden, von den Kindertagesstätten über die Grundsicherung bis zur Jugendhilfe. Nur in einer erweiterten Gewerbesteuer, die Freiberufler einbezieht und nicht nur auf Gewinn fällig wird, sieht er einen Weg aus der Krise. Schröers Enttäuschung über die ausgefallene Finanzreform auf Bundesebene teilt auch Professor Martin Junkernheinrich, der selbst in jener Kommission mitarbeitete, deren Beratungen nach eineinhalb Jahren so folgenlos ausgingen wie das Hornberger Schießen. Die Kommunen bräuchten verlässliche, aber nicht unbedingt mehr Einnahmen, meint der Kommunalwissenschaftler. Er plädiert für eine Neuordnung der Gemeindesteuern: Eine Ausweitung der Gewerbesteuer auf mehr Zahler mit letztlich weniger Belastung für die Einzelnen, eine Grundsteuer, die auf den tatsächlichen Immobilienwert aufbaut, und einen Anteil an der Einkommensteuer (Bürgersteuer). Die Gemeinden sollten anstelle ihres 16-prozentigen Anteils an der Einkommensteuer einen eigenen Hebesatz von drei Prozent auf das zu versteuernde Einkommen erhalten, schlägt Junkernheinrich vor. Für den Bürger bleibe dabei die Belastung gleich. Wolle eine Kommune mehr kassieren, müsse sie sich gegenüber ihren Steuerzahlern vor Ort rechtfertigen, argumentiert der Professor. Dies bremse die Gefahr einer Erhöhungswelle merklich. Doch den Kommunen verordnet der Finanzfachmann einen stärkeren Sparkurs. Nicht nur Schwimmbäder gehörten auf den Prüfstand. "Alle müssen Abstriche machen", fordert Junkernheinrich. Sonst seien die Haushaltslücken nicht zu schließen, was bei rückläufiger Bevölkerungszahl dringender denn je notwendig sei. Auch eine Gebietsreform mit neuem Zuschnitt von Verbandsgemeinden hält er für überlegenswert. Entlastung brauchen die Kommunen nach seinen Angaben von den bundesweit bis zu elf Milliarden Euro Sozialhilfe. Wenn der Bund über die Sozialhilfe beschließe, müsse er auch dafür aufkommen, sagt Junkernheinrich. Dass die für 2005 geplante Zusammenlegung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe tatsächlich etwas einspart, ist für ihn keineswegs sicher. Auch Hans Jörg Duppre, Präsident des Deutschen Landkreistages und Landrat des Kreises Südwestpfalz, setzt auf einen völligen Neubeginn der Reformdiskussion. Die Kommission sei gegen die Wand gefahren, weil man sich auf die Gewerbesteuer versteift habe, so Duppres Bilanz. Ihm schwebt ebenfalls eine Kombination mehrere Steuern als Geldquelle für die Kommunen vor. Die Gewerbesteuer hat aus seiner Sicht mittelfristig keine Überlebenschance.

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