"Lügen, Lügen, Lügen"

TRIER. Weil sie ihren Freund mit einem Messerstich ins Herz getötet hat, muss eine 21-jährige Frau aus Wittlich für viereinhalb Jahre ins Gefängnis. Das hat am Montag das Trierer Landgericht entschieden.

Es ist kurz nach 9 Uhr im frisch renovierten Saal 70 des Trierer Landgerichts. Der dritte Prozesstag hat gerade begonnen, da meldet sich die Angeklagte unmittelbar vor Ende der Beweisaufnahme überraschend noch einmal zu Wort. Es geht um ein Schäferstündchen, das die 21-Jährige mit einem anderen Mann gehabt haben soll, was die Angeklagte zuvor mehrfach bestritten hatte. "Ja", sagt sie jetzt nach leichtem Zögern, "die Sache da hat voll und ganz gestimmt." "Wir haben alle lebenslänglich"

Das Eingeständnis kommt spät - zu spät. Denn, dass die junge Frau in diesem Punkt an den beiden vorangegangenen Prozesstagen nicht die Wahrheit gesagt hatte, war förmlich zu spüren. Einen kleinen "Wahrheitsdreher" hätte ihr das fünfköpfige Gericht womöglich noch nachgesehen. Doch es waren letztlich zu viele Punkte, in denen sich die Aussagen der gelernten Hotelfachfrau deutlich von denen der Zeugen unterschieden. "Mit der Glaubwürdigkeit der Angeklagten ist es nicht weit her. Sie hat massiv gelogen", bilanziert Justizrat Roderich Schmitz, der die als Nebenklägerin auftretende Mutter des getöteten jungen Mannes vertritt. "Lügen, Lügen, Lügen", fasst am letzten Prozesstag auch Staatsanwalt Eric Samel die Einlassungen der Angeklagten zusammen. Für Samel steht fest, dass die 21-Jährige zwar viele unterschiedliche Versionen des angeblichen Tatablaufs geschildert habe, glaubwürdig sei allerdings keine: "So kann es nicht gewesen sein." Dieser Meinung ist am Ende des Prozesses auch die Erste Große Jugendkammer. Nur: Was ist wirklich passiert an jenem frühen Juli-Abend des vorigen Jahres in der gemeinsamen Wittlicher Wohnung der beiden jungen Leute? "Wir hatten Schwierigkeiten, den Sachverhalt aufzuklären", gibt der Vorsitzende Rolf Gabelmann unumwunden zu, "viele Unklarheiten sind geblieben." Die Unklarheiten sind hörbar. Bei seinem Versuch, sich der Wahrheit zumindest zu nähern, sagt Gabelmann in seiner Urteilsbegründung häufig "offensichtlich", "wohl", "ist nicht zu klären" oder "wir wissen es nicht". Selten ist ein Gericht so unverbindlich, so zweifelnd. Und in einer entscheidenden Frage trotzdem so sicher: Dass es sich bei dem letztlich tödlichen Messerstich womöglich doch um einen Unfall gehandelt haben könnte, wie es die Angeklagte stets behauptet hatte, glauben die drei Berufs- und zwei Laienrichter nicht. "Das war kein Zufall", sagt Gabelmann. Die junge Frau habe vielmehr "gezielt und bewusst zugestochen", um ihren Lebensgefährten zu verletzen. Wie anders klang da das Plädoyer des Verteidigers der jungen Frau: "Die Aggressionen an diesem Abend gingen ausschließlich von dem späteren Opfer aus", sagt der Wittlicher Rechtsanwalt Hans-Dieter Adams, "meine Mandantin war in der Verteidigerposition." Das Gericht sieht dies anders, verurteilt die 21-Jährige schließlich zu viereinhalb Jahren Gefängnis. Auf die Frage, ob sie mit dem Urteil zufrieden sei, antwortet die Mutter des Getöteten ausweichend: "Wir haben alle lebenslänglich", sagt sie, bevor sie mit ihrem Anwalt den Sitzungssaal verlässt. Vorbei an der ehemaligen Freundin ihres Sohnes, die auch Minuten nach dem Urteil noch auf der Anklagebank sitzt und von ihren Eltern getröstet wird. Die junge Frau bleibt vorerst weiter auf freiem Fuß. Ihr Verteidiger wird wohl Revision gegen das Urteil einlegen. Bis der Bundesgerichtshof darüber entschieden hat, dürfte ein gutes halbes Jahr vergangen sein.

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