Luft für Datenschutz wird dünner

MAINZ. Die geplante Verschärfung des Polizeigesetzes durch den "großen Spähangriff" oder eine polizeiliche Beobachtung ist aus Sicht des Landesdatenschutzbeauftragten Walter Rudolf nicht notwendig. Es gebe genug Eingriffsrechte, so der Rechtsprofessor.

Die Zeiten für Datenschützer sind "turbulent", wie der rheinland-pfälzische Landesbeauftragte Walter Rudolf bei der Vorlage seines neuesten Berichts feststellte. Die rasante Entwicklung beim Einsatz von Elektronik nicht zuletzt in der Verwaltung (e-Government, Grundbuch, Steuererklärung) eröffnet Missbrauchsmöglichkeiten, denen begegnet werden muss, und auf weltweiten Terror wird mit Sicherheitsgesetzen reagiert, die vor dem Datenschutz nicht Halt machen. Angesichts knapper öffentlicher Kassen wird zudem im Kampf gegen den Missbrauch etwa von Kindergeld oder Sozialhilfe ein tiefer Einblick in persönliche Daten verlangt."Leine lassen" in der neuen Situation

Die Situation des Datenschutzes sei schwieriger geworden, man müsse "Leine lassen", so Rudolfs Umschreibung dafür. Teilerfolge hat er zumindest bei der momentan laufenden Beratung eines neuen Polizei- und Ordnungsgesetzes (POG) erreicht. Die SPD/FDP-Koalition will entgegen ursprünglicher Vorgaben nun auf den vorbeugenden Lauschangriff sowie verdeckte Maßnahmen gegen Berufs- und Amtsgeheimnisträger wie Geistliche, Anwälte, Ärzte oder Journalisten verzichten. Der Datenschützer bleibt allerdings bei seinem grundsätzlichen Vorbehalt. Eine Änderung des POG ist nach seinen Worten überflüssig, weil es bisher keinen Fall gegeben habe, der die neuen Vorgaben erforderlich macht. Kritisiert wird von ihm, dass offenbar Regelungen zur verdeckten Erhebung personenbezogener Daten "auf Vorrat" ins Gesetz geschrieben werden sollen. Was "einen alten Polizeirechts-Lehrer" wie ihn auf die Palme bringe, so der Rechtsprofessor von der Uni Mainz, seien Eingriffe in Persönlichkeitsrechte, die sogar vor 130 Jahren in der Kaiserzeit als Skandal empfunden worden wären. Trotz Terrorbekämpfung könnten nicht gleich potentielle Täter und Opfer in Dateien gespeichert werden. Keine Einwände hat Rudolf gegen die Videoüberwachung von Kriminalitätsschwerpunkten. Allerdings darf es nach seiner Meinung dabei nicht zu einer Rundumüberwachung wie in britischen U-Bahn-Stationen kommen. Praktisch abgeschlossen ist nach seinen Angaben im Land die Rasterfahndung nach potentiellen islamistischen Terroristen oder Unterstützern als Folge der Anschläge von New York. Aus rund 13 000 Datensätzen wurden letztlich 900 Prüffälle. Alle Fälle ohne Erkenntnisse sind laut Rudolf inzwischen aus der Datei gelöscht. Rund 300 Personen wurden darüber benachrichtigt. Über Erfolge der Rasterfahndung konnte Rudolf keine Angaben machen. Die Auswertung laufe noch. Bemängelt wird von den Datenschützern die lückenhafte Protokollierung von Zugriffen auf das neue elektronische Grundbuch. Bei den sensitiven Daten (unter anderem auch über Belastungen) muss nach ihrer Auffassung nachweisbar sein, wer zu welchem Zweck zugegriffen hat. Für eine entsprechende Nachrüstung des Systems fehlt aber Geld. Auch wenn der Datenschutz insgesamt schwieriger wird, gibt es nach Rudolfs Einschätzung keinen Grund zur Panik, dass die Rechte des Bürgers unter die Räder kommen könnten.KOMMENTAR SEITE 2

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