Mainzer Kohlekraftwerk sorgt für Feuer

Ärzte protestieren, Wirtschaftsexperten warnen und die Bevölkerung sagt mehrheitlich Nein: Ein geplantes Steinkohle-Kraftwerk sorgt in der Landeshauptstadt für Feuer unter dem Dach. Ein Jahr nach dem positiven Votum des Stadtrates wächst der Widerstand. Vor allem in der CDU rumort es.

Mainz. Es soll eine Milliarde Euro kosten, 110 Meter hoch werden, ab Ende 2012 rund 800 Megawatt Strom liefern und die Energieversorgung in Mainz, Wiesbaden und Umgebung anstelle eines Gaskraftwerks gewährleisten. Doch die Unterstützung für das im Mainzer Gewerbegebiet am Rhein geplante Kohlekraftwerk der Kraftwerke Mainz-Wiesbaden AG (KMW) bröckelt zusehends in den beiden Städten links und rechts des Flusses. Die gemeinsame Tochtergesellschaft der Stadtwerke schwärmt von einer der modernsten Anlagen ihrer Art, die umweltverträglich und hoch effizient mit sicherer Steinkohle betrieben werde und verweist auf das geplante RWE-Kraftwerk im westfälischen Hamm, an dem sich nach langem Streit auch die Stadtwerke Trier beteiligen. Kritiker warnen dagegen vor Luftverschmutzung, Gesundheitsgefahren und Klimabelastung. Nachdem im Dezember bereits 160 Ärzte gegen das Kraftwerk protestierten, haben nun rund 30 Wirtschafts- und Finanzexperten die Wirtschaftlichkeit bezweifelt und vor einem Millionengrab gewarnt. Überholte Wirtschaftlichkeitsberechnungen führten zu gewaltigen Risiken, schreiben sie in einem offenen Brief an die Ministerpräsidenten und Oberbürgermeister beider Landeshauptstädte. Alle Planungen sollten gestoppt werden, solange keine aktuellen Kosten-Nutzen- Analysen vorliegen. Rund 60 000 Einwendungen sind eingegangen

Vor allem die jährlich bis zu 90 Millionen Euro teuren Kosten für die Luftbelastung würden nicht eingerechnet. Die Warnung der Wirtschaftsprofessoren sind Wasser auf die Mühlen der Kraftwerksgegner. Rund 60 000 Einwendungen sind eingegangen. Mehr als 80 Prozent der Bevölkerung seien gegen die Anlage, behauptet die Bürgerinitiative "Kohlefreies Mainz" und beruft sich auf eine von ihr in Auftrag gegebene Umfrage eines Sozialforschungsinstituts bei 1000 Mainzer und Wiesbadener Bürgern. Auch politisch beginnt die Unterstützung für das Kohlekraftwerk zu schwinden. Wurde das Projekt bislang von den bestimmenden Fraktionen CDU, SPD und FDP sowie Oberbürgermeister Jens Beutel (SPD) im Stadtrat trotz teilweisem Murren an der Basis getragen, formiert sich nun innerhalb der CDU massiver Widerstand. Auf Druck von Junger Union und mehrerer CDU-Stadtbezirke beschäftigt sich am Dienstag ein Sonderparteitag mit dem Projekt. Er droht zur Kraftprobe zwischen der Partei- und Fraktionsspitze um Andrea Litzenburger samt Bürgermeister Norbert Schüler und Umweltdezernent Wolfgang Reichel einerseits sowie den Kraftwerksgegnern andererseits zu werden. CDU-Landeschef Christian Baldauf hat sich gegen Kohle und für eine Verlängerung der Laufzeit von Atomkraftwerken ausgesprochen. Ein möglicher Ausweg aus dem Dilemma soll ein Leitantrag für den Parteitag eröffnen: das Votum für ein neues Gaskraftwerk. Die CDU fühle sich durch die Kritik der Wirtschaftsexperten bestätigt, verkündete der Mainzer Landtagsabgeordnete Gerd Schreiner die neue Linie. Ein Gaskraftwerk müsse oberste Priorität haben. Allerdings sind die Verträge für das Kohlekraftwerk bereits unterschrieben. Ein Ausstieg käme sehr teuer. Die KMW wirft ihren Kritikern vor, selbst mit veralteten Daten zu arbeiten und will mit einer Informationskampagne ihr Projekt retten.

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