Mainzer Menschenfischer

MAINZ. Kurt Beck, Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz, will "noch 15 Jahre" im Amt bleiben, wie er schmunzelnd auf seiner Sommerreise berichtet. Zugleich kandidiert er aber auch im Herbst als SPD-Vize auf Bundesebene. Welche bundespolitischen Ambitionen hat der Landesvater?

Beliebt und volkstümlich: Beim Rheinland-Pfalz-Tag ist Ministerpräsident Kurt Beck in seinem Element. Foto: Friedemann Vetter

Die Bärte der 68er sind zwar nicht mehr in Mode, aber Kurt Beck war ohnehin nie ein studentischer Revoluzzer. Der Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz hat keine akademische Ausbildung genossen, und er trägt den Stoppelbart aus Überzeugung. Das Gesichtshaar prägt den Typus Beck, doch erst die konvexe Körperwölbung rundet den Eindruck einer bodenständischen Persönlichkeit ab, die unverkrampft auf "die Leut" zugeht und sich auch deshalb einer gewissen Beliebtheit erfreut. Auf seiner "Sommerreise", die ihn alljährlich durch das Land der Reben und der Rüben führt, wurde diesmal wieder deutlich. Seit neun Jahren regiert der 54-Jährige nun in Mainz, und ein Ende ist nicht abzusehen.Niemals würde der kumpelhafte Landesvater zugeben, dass ihm die Landesgrenzen zu eng geworden sind, aber ein bisschen schielt er doch gelegentlich in die große Hauptstadt Berlin, wo die Musik irgendwie lauter und aufregender spielt als in der beschaulichen Heimat. Positioniert hat er sich bereits: Auf dem Bundesparteitag der SPD stellt er sich im Herbst zur Wahl des stellvertretenden Parteivorsitzenden. Dieser Schritt hat ihm eine Prise schlechtes Gewissen beschert, wird doch ausgerechnet mit seiner Kandidatur der politische Niedergang eines langjährigen Weggefährten deutlich: Rudolf Scharping, den Beck schon in Mainz beerbt hat, muss (widerwillig) weichen. Man hat zwar miteinander gesprochen, und Beck wies dabei rechtfertigend darauf hin, dass "sonst ein anderer kandidiert hätte" (gemeint sind die Genossen Ute Vogt, Matthias Platzeck, Sigmar Gabriel). Doch der Ex-Minister, vom ernsthaften Rivalen des Kanzlers Gerhard Schröder zum parlamentarischen Hinterbänkler abgestiegen, ist bitter enttäuscht, dass auch einst enge Freunde seinen Sturz nicht abfedern wollten oder konnten.Beck redet nicht gern über dieses Thema, wie seine Reise mit Journalisten durch Fabrikhallen und Weinberge erkennen ließ. Das schwierig gewordene Verhältnis zu seinem alten Mentor bedrückt ihn. Bedeutend wohler fühlt sich Beck, wenn er seiner liebsten Beschäftigung (nach Fußball-Gucken) nachgehen und mit ganz normalen Menschen schwätzen kann. Wenn er dies leutselig tut und die Gespräche mit amüsanten Anekdoten anreichert, erinnert der gelernte Elektromechaniker in verblüffender Weise an Johannes Rau: Beide Genossen (die Parteimitgliedschaft des Bundespräsidenten ruht derzeit) verstehen sich als "Menschenfischer", die das Volk "mitnehmen" und die Distanz zwischen Politikern und Bürgern verringern wollen. Das wird tatsächlich sichtbar, wenn Beck - wie am Mittwoch und Donnerstag - an der Universität Mainz mit den Professoren ebenso ungekünstelt parliert wie mit den Vorständen des Pharmakonzerns Boehringer in Ingelheim, dem Personal des Restaurants "Schloss Sörgenloch" oder den Mitarbeitern der Firma "Technik Kübler" in Worms. Der SPD-Krise und der Bundespolitik zum Trotz: Mit der umgänglichen Art des Ministerpräsidenten kommen sie alle klar.Bundeskanzler und Parteichef Gerhard Schröder weiß natürlich, was er an "dem Kurt" hat. Nicht nur, weil Beck die Macht der SPD in der alten CDU-Hochburg Rheinland-Pfalz gesichert hat, sondern weil der unkomplizierte Pfälzer von ungewöhnlicher Loyalität ist. Seufzend nimmt der zwar die ständigen Kapriolen der Bundesgenossen zur Kenntnis, doch bis hin zur politischen Selbstkasteiung stützt er den Kanzler in allen Lebenslagen.Loyalität bringt nicht nur Schulterklopfen

Dieses brave Verhalten bringt ihm nicht nur freundschaftliches Schulterklopfen ein, sondern auch zuweilen spöttische Bemerkungen mancher Parteifreunde, die ein eigenständiges Profil durchaus zu schätzen wissen. Beck jedoch, nach zwei gewonnenen Landtagswahlen und hervorragenden Zustimmungswerten immunisiert gegen parteiinterne Kläfferei, ficht das nicht an. Er ruht in sich - und nähert sich klammheimlich einer Perspektive, die auch seinem Ego schmeicheln würde: Wenn Schröder eines Tages den Parteivorsitz abgeben sollte, sei es 2006 oder auch später, ist ein integrativer Nachfolger gefragt. Einer, der nicht polarisiert und von beiden Flügeln Akzeptanz erfährt. Ein Typ wie Beck eben, der, wie er am Mittwoch schmunzelnd kund tat, "noch 15 Jahre Ministerpräsident" bleiben will.