Malu Dreyer legt ein flottes Tempo vor

Mainz · A-1-Lückenschluss, Kommunalfinanzen, Nürburgring, Flughafen Hahn: Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) hat in den ersten 100 Tagen ihrer Amtszeit die wichtigsten Baustellen der Landespolitik angepackt und teilweise Lösungen gefunden. Zufrieden ist damit längst nicht jeder.

 Sie lächelt viel – kann aber auch anders: Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) wird nach den ersten 100 Tagen im Amt ein zupackender Regierungsstil bescheinigt. TV-Foto: Friedemann Vetter

Sie lächelt viel – kann aber auch anders: Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) wird nach den ersten 100 Tagen im Amt ein zupackender Regierungsstil bescheinigt. TV-Foto: Friedemann Vetter

Mainz. Malu Dreyer nickt, überlegt, zögert. Dann beschreibt sie kurz, wie die Landesregierung die dramatisch schlechte Finanzlage der Kommunen verbessern will. Der Zuhörer spürt, dass die Ministerpräsidentin mit ihrer eigenen Antwort hadert. Ein paar Tage später flattert den Fragestellern eine Einladung ins Haus. Finanzminister Carsten Kühl lädt zum Hintergrundgespräch in Sachen Kommunalfinanzen ein.
Diese kleine Episode zeigt, dass Marie-Luise Dreyer, wie die am 16. Januar zur neuen Regierungschefin von Rheinland-Pfalz gewählte Pfälzerin richtig heißt, nicht lange fackelt. Unzulänglichkeiten, erst recht eigene, sind ihr ein Gräuel. Sie will ihre Arbeit perfekt machen. Sie will Probleme lösen. Sie will Menschen nicht mit halben Antworten abspeisen. Und in wesentlichen Politikfeldern hat die Regierung unter ihrer Führung bereits drängende Fragen beantwortet.

Beispiel Verkehrsprojekte: Dar-über, ob die Autobahn 1 in der Eifel weitergebaut werden soll, wurde innerhalb der Koalition zwei Jahre lang gestritten. Malu Dreyer hat den Knoten nach einem nächtlichen Verhandlungspoker mit den Grünen durchschlagen: Der A-1-Lückenschluss, für sie als Abgeordnete aus Trier besonders wichtig, kommt. Vielleicht ist das ihr größter Erfolg in den ersten Monaten.
Dass zum Bundesverkehrswegeplan insgesamt nur halb so viele Projekte wie in der Vergangenheit angemeldet werden und einige Großprojekte wie Nord- und Westumfahrung Trier nicht, sorgt allerdings für starke Kritik. Unternehmer und Kammern beklagen, die Straßen seien in jämmerlichem Zustand, es werde viel zu wenig investiert. Die SPD sei vor den Grünen eingeknickt.

Beispiel Flughafen Hahn: Ein Desaster wie am Nürburging, der in die Insolvenz geschlittert ist, ist für den Flughafen abgewendet worden. Weil der klamme Hunsrück-Airport aus eigener Kraft seine Kredite nicht mehr bedienen kann, fließt Steuergeld. Rot-Grün hat einen Nachtragshaushalt verabschiedet, in dem 86 Millionen Euro bis Ende 2014 für den Hahn vorgesehen sind.
Gerettet ist der Flughafen damit allerdings noch lange nicht. Der neu installierte Geschäftsführer Heinz Rethage soll und will das Betriebsergebnis verbessern, indem er die Kosten senkt. Die Kontakte zur EU-Kommission, die in einem Beihilfeverfahren prüft, ob in der Vergangenheit verbotene Millionensubventionen des Landes flossen, sind intensiviert worden. An einem Zukunftskonzept wird weiter gebastelt. Private Investoren werden ebenfalls noch gesucht.

Beispiel Nürburgring: Auch hier hat sich die neue Regierungschefin erfolgreich eingeschaltet. Sie hat Gespräche mit den Brüsseler Wettbewerbshütern geführt und damit das getan, was zuvor versäumt worden war. Offenbar hat sich die angespannte Atmosphäre dadurch merklich verbessert. Das kommt den verantwortlichen Sanierern Thomas B. Schmidt und Jens Lieser entgegen, die den Verkaufsprozess für die Ring-Immobilien einleiten.
Beispiel Kommunalfinanzen: Rund eine halbe Milliarde Euro mehr sollen den Städten und Gemeinden durch die beschlossene Neuordnung des kommunalen Finanzausgleichs bis 2016 zufließen. Ab 2014 sollen sie in der Lage sein, jährlich ihre defizitären Haushalte auszugleichen. Besonders entlastet werden kreisfreie Städte und Landkreise, die unter hohen Sozialausgaben ächzen.
Während die rot-grüne Koalition frohlockt, reagieren andere verärgert. Das Land nehme selbst gerade einmal 50 Millionen Euro mehr in die Hand, ansonsten bekämen Städte und Gemeinden nur das, was ihnen ohnehin zustünde, kritisieren die kommunalen Spitzenverbände.
In ihrer Regierungserklärung am 30. Januar hat Malu Dreyer einen neuen Politikstil angekündigt, der sich von dem ihres Vorgängers Kurt Beck unterscheidet. Dialog, Offenheit und Transparenz lauten die Schlagworte.
Dreyer lebt das, was sie propagiert hat, in der Schaltzentrale der Macht vor: Ihre Tür in der Staatskanzlei stehe immer offen, berichten Mitarbeiter. Dreyers Führungsstil sei kooperativ, es werde in diversen Themenrunden sachlich diskutiert. Das nüchterne Analysieren liegt der Juristin, die dem Vernehmen nach durchaus bereit ist, sich andere Blickwinkel anzueignen.
Der Koalitionspartner, dem schon Beck auf Augenhöhe begegnete, schwärmt von Dreyer. Sie höre besser zu und führe keine langen Monologe, heißt es von den Grünen. Sie haue auch nicht mit der Faust auf den Tisch, wie es Beck bisweilen getan habe.
Die Arbeitsteilung der SPD-Doppelspitze mit Ministerpräsidentin Dreyer und Parteichef Roger Lewentz entlastet die Regierungschefin, die erheblich weniger Termine als ihr Vorgänger Beck im Kalender stehen hat, der beide Posten inne hatte. Zweifel daran, die an Multipler Sklerose, einer entzündlichen Erkrankung des Nervensystems, leidende Dreyer könnte aufgrund dessen den hohen Anforderungen ihres Amtes nicht gewachsen sein, sind nicht im Ansatz aufgekommen.
Wer so etwas hätte anklingen lassen, hätte es mit einer zornigen Ministerpräsidentin zu tun bekommen. Malu Dreyer kämpft schon so lange für gesellschaftliche Teilhabe, dass es für sie selbstverständlich ist, wenn Behinderte in führende Positionen kommen.
Sie lächelt zwar viel und wirkt warmherzig, kann aber durchaus anders. "Außen Watte, innen Stahl", sagt ein Vertrauter.
In der Phase des Übergangs von Beck zu Dreyer ist viel von den großen Fußstapfen, die der 19 Jahre lang amtierende Beck hinterlassen habe, die Rede gewesen. Drei Monate später ist dieser fast in Vergessenheit geraten. Malu Dreyer, zupackend und in ersten Umfragen von den Bürgern als sympathisch eingestuft, hat sicher ihren Teil dazu beigetragen. SPD-Fraktionschef Hendrik Hering wählt eine diplomatische Formulierung: "Das Tagesgeschäft hat einen rasch im Griff."
An Arbeit und Problemen wird es auch künftig nicht mangeln. Schon in Kürze kommt es bei der umstrittenen Kommunalreform zum Schwur, wenn Innenminister Roger Lewentz seine Gesetzentwürfe für die Verbandsgemeinden vorlegt, die fusionieren sollen. Trotz Dreyers Ankündigung, dass sich Kommunen in begründeten Ausnahmefällen über Kreisgrenzen hinweg Partner suchen dürfen, bleiben jene Rebellen, die sich gegen die Pläne des Landes wehren, skeptisch.
Ein ganz schwieriges Thema sind die Finanzen. Die Regierung beteuert zwar, trotz des Nachtragshaushaltes und der damit verbundenen neuen Schulden am Sparkurs festhalten zu wollen. Nicht nur der oppositionellen CDU, sondern auch dem Landesrechnungshof fehlt indes der rechte Glaube daran.

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