Kunst Jedes Härchen, jede Falte. Altmeisterlich!

Wittlich · Fans abstrakter Kunst können zu Hause bleiben. Wer jedoch altmeisterliches künstlerisches Können schätzt, dürfte zufrieden sein mit dem, was in Wittlich ab Sonntag zu sehen ist: Bilder des Leipziger Künstlers Dietrich Wenzel.

 Dietrich Wenzel: Kerstin im Pelz.

Dietrich Wenzel: Kerstin im Pelz.

Foto: Dietrich Wenzel

Die nackte, blonde Frau schaut den Betrachter direkt an. Ernst. Fordernd. Und dabei so verblüffend lebensecht, als handele es sich bei dem Bild um eine Fotografie. Und nicht um eine Zeichnung. Jedes noch so feine Härchen des Pelzmantels, der ihre Haut berührt, ist zu erkennen, jeder Leberfleck, jedes Fältchen. Hyperrealistisch! Daneben: Gezeichnete Schuhe, die aussehen, als könne man gleich hineinschlüpfen. Und Stillleben in Öl, auf denen Apothekerflaschen unter einer hauchfeinen Staublage altmeisterlich glänzen.

„Meisterschaft“ ist denn auch der Titel dieser Ausstellung, die vom 8. März bis zum 26. Juli im Alten Rathaus in Wittlich zu sehen ist. Rund 90 Zeichnungen, Bilder und Plakate des Leipziger Malers Dietrich Wenzel (geboren 1943 in Berlin) werden gezeigt. Mal wieder eine Ausstellung, bei der Kurator Richard Hüttel seine alten Beziehungen nach Leipzig spielen lässt, wo der Kunsthistoriker bis 2011 die Sammlungen des Museums der Bildenden Künste leitete. Hüttel schwärmt von dem Niveau, das der Leipziger Künstler erreicht hat: „Ein Meister ist er, der beides beherrscht: das Handwerk und das Denkwerk“, sagt der in der Eifel lebende Kurator. Heute habe er oft den Eindruck, dass nur noch Letzteres zähle.

Erlernt hat Dietrich Wenzel sein Können an der Hochschule für Graphik und Buchkunst in Leipzig bei einem der bekanntesten DDR-Maler: bei Werner Tübke. Zum Star wurde dieser vor allem durch das monumentale Panoramabild in Bad Frankenhausen über die Bauernkriege im 16. Jahrhundert. Ein mehr als 1700 Quadratmeter großes Bild, das sein eigenes Museum erhielt und jährlich Zigtausende Besucher anlockt. 1982 und 83 hat auch Wenzel an diesem Bild-Dom, den Hüttel als „Sixtina des Nordens“ bezeichnet, mitgewirkt. Mit 15 Kollegen übertrug er den Entwurf Tübkes auf die zehnfach größere Leinwand. Ein von Wenzel gemalter Ausschnitt des Panoramas ist nun auch in Wittlich zu sehen.

Neben den Bauernkriegsszenen gibt es zahlreiche Stillleben, von Wenzel entworfene Plakate, Studien, Porträts und Selbstporträts zu sehen – ebenso wie Bilder, in denen er Cranach, Michelangelo oder Dürer feiert. Viele der Menschen, die da nun in Wittlich aus den Bilderrahmen schauen, sind alte Bekannte des Kurators. Die mal mehr, mal weniger nackte Kerstin ebenso wie die Künstlerin Ursula Mattheuer-Neustädt, der Violinist, der zur Vernissage spielt oder die ewig rauchende Witwe von Wenzels Dozent Werner Tübke. Bilder, die nicht nur durch eine unglaubliche Genauigkeit in der Wiedergabe beeindrucken, sondern laut Hüttel auch dadurch, dass es Wenzel gelingt, die Persönlichkeit einzufangen – den Menschen gerecht zu werden. Und dann wäre da wohl noch das Denkwerk. Warum nur schaut diese nackte, blonde Frau so ernst? So fordernd?

 Stefan Endres (hinten) und Kurator Richard Hüttel beim Aufbau der Ausstellung . Zu sehen ist auch ein Ausschnitt aus dem bekannten Bauernkriegspanorama, das in Thüringen sein eigenes Museum hat.

Stefan Endres (hinten) und Kurator Richard Hüttel beim Aufbau der Ausstellung . Zu sehen ist auch ein Ausschnitt aus dem bekannten Bauernkriegspanorama, das in Thüringen sein eigenes Museum hat.

Foto: TV/Katharina de Mos
 Dietrich Wenzel: ein Selbstporträt.

Dietrich Wenzel: ein Selbstporträt.

Foto: Dietrich Wenzel

Die Ausstellung wird am Sonntag, 8. März, um 11 Uhr in der Wittlicher Synagoge (Himmeroder Straße 44) eröffnet. Auch Künstler Dietrich Wenzel ist vor Ort. Die Schau ist dann bis zum 26. Juli im Alten Rathaus in Wittlich zu sehen. Öffnungszeiten: dienstags bis samstags 11 bis 17 Uhr, sonn- und feiertags: 14 bis 17 Uhr.

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