Migranten streben in öffentlichen Dienst

Menschen mit Migrationshintergrund stellen zwar einen beträchtlichen Anteil der Bevölkerung in Deutschland dar, aber nur wenige von ihnen sind im öffentlichen Dienst beschäftigt. Das soll sich in Zukunft ändern.

Berlin. Mit einem Interview hat die Integrationsbeauftragte Maria Böhmer (CDU) vor einer Woche eine Debatte ausgelöst, die sie nun nicht loswird. Die Aussage der Merkel-Vertrauten, Migranten müssten "angemessen" im öffentlichen Dienst vertreten sein, und zwar mit einem Anteil von 20 Prozent wie in der Bevölkerung, war als Plädoyer für eine Ausländerquote verstanden worden. Vertreter fast aller Parteien im Bundestag distanzierten sich, und auch Böhmer selbst präzisierte eiligst. Doch verlangt nun die Türkische Gemeinde, wenigstens unterhalb der Ebene einer Quotenregelung mehr zu tun.

Eine verbindliche Beschäftigungsquote von fünf Prozent gibt es derzeit nur für Behinderte, und zwar im öffentlichen Dienst wie in der Privatwirtschaft. Für Frauen gilt im öffentlichen Dienst, dass sie bei gleicher Qualifikation bevorzugt eingestellt werden sollen. Böhmer setzt bei den Migranten jedoch auf Freiwilligkeit. Union und FDP hätten sich im Koalitionsvertrag verpflichtet, mehr Migranten in den Bundesbehörden zu beschäftigen, betonte die Politikerin gestern auf Anfrage. Gleiches hätten die Länder in dem 2007 beschlossenen Nationalen Integrationsplan versprochen. Nun gehe es um die Umsetzung. Vor allem Lehrer und Erzieherinnen, aber auch Polizisten und Feuerwehrleute seien gefragt. Böhmer lobte, dass einige Länder sich ehrgeizige Zielmarken gegeben haben. Hamburg etwa will 20 Prozent erreichen. Die Hauptstadt gar will 25 Prozent schaffen und hat eine große Kampagne gestartet: "Berlin braucht Dich". Laut Böhmer kann sich jede Behörde konkrete Ziele geben und versuchen, diese sowohl bei der Vergabe von Ausbildungsplätzen wie bei der Neubesetzung von Stellen zu erreichen. Allerdings müsse dabei immer klar sein, dass eine gleich gute Eignung und Qualifikation vorliege. Beim nächsten Integrationsgipfel im Herbst werde das Thema sicherlich noch einmal zur Sprache kommen, kündigte die Staatsministerin an.

Der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde, Kenan Kolat, sagte gestern, für die Integration sei es wichtig, dass der Staat auch durch Menschen mit anderen Namen, anderen Muttersprachen und anderen kulturellen Erfahrungen repräsentiert werde. Die im Nationalen Integrationsplan gegebenen Selbstverpflichtungen von Bund und Ländern reichten allein nicht aus. Seine Organisation schlage verbindliche Zielvereinbarungen für jede Verwaltung und offensive Werbeaktionen bei den Auszubildenden vor. Hintergrund Als Menschen mit Migrationshintergrund gelten alle, bei denen mindestens ein Elternteil im Ausland geboren wurde. Dazu gehören viele Türkischstämmige, aber auch Russlanddeutsche. Insgesamt macht dieser Kreis etwa 20 Prozent der Bevölkerung aus. Im Öffentlichen Dienst entstammen ihm aber nach Schätzungen der Türkischen Gemeinde nur zwei bis vier Prozent aller Mitarbeiter. Sozialwissenschaftler gehen von ähnlichen Größenordnungen aus. Exakte Angaben gibt es nicht, weil die Bewerber über ihre Herkunft nicht Auskunft geben müssen.

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