Wirtschaft Zündet Wissings Wirtschaftspolitik?

Mainz · Der Minister wirbt mit einem Raketen-Emoji für seine Regierungsrede. Die CDU erkennt eher einen Sinkflug.

Hebt Rheinland-Pfalz in der Wirtschaft ab wie diese Sojus-Rakete vom Weltraumbahnhof bei Kourou? Da ist die Landespolitik gespalten.

Hebt Rheinland-Pfalz in der Wirtschaft ab wie diese Sojus-Rakete vom Weltraumbahnhof bei Kourou? Da ist die Landespolitik gespalten.

Foto: dpa/S MARTIN

Der Twitter-Account von Wirtschaftsminister Volker Wissing verheißt Aufregendes. „Damit Neues groß werden kann“, kündigt der rheinland-pfälzische FDP-Politiker seine Regierungserklärung zur Wirtschaftspolitik zwitschernd an – und unterstreicht das Versprechen mit einem Raketen-Emoji. Geht es nach CDU-Fraktionschef Christian Baldauf, zündet der Minister aber nicht.

In drastischen Worten kritisiert der Pfälzer die Politik Wissings und malt so sinnbildlich eher das Bild eines Raketen-Sinkflugs. Der CDU-Mann spricht davon, dass der „wirtschaftspolitische Horizont“ der Ampel „kleindimensioniert“ sei, ein Konzept fehle. Baldauf greift die Landesregierung für eine geringe Investitionsquote an. Lästert, mal gäbe es hier und da kleine Förderungen, ein wenig 3-D-Druck – und jede Menge Runde Tische.

Sogar die SPD-Fraktion habe Wissing Nachhilfeunterricht erteilt, indem sie mit ihrem Papier zur Mobilitätswende seine Hausaufgaben erledigt habe“, sagt Baldauf grinsend. Und die Vorschläge, meint er, stammten auch noch alle von der CDU. „Gäbe es einen parlamentarischen Upload-Filter, dann wäre eines klar: Das Urheberrecht für eine Mobilitätsoffensive haben Sie nicht“, tönt er. Und auch die Tourismusstrategie von Wissing nimmt der CDU-Fraktionschef auf die Hörner. Wo Rheinland-Pfalz pro Gast 0,31 Cent pro Übernachtung hinzuschieße, zahle Bayern 2,50 Euro, behauptet er. Die SPD-Abgeordnete Anna Köbberling wirft sich schützend vor Wissing. Baldaufs Rede fasst sie knapp zusammen: „Besserwisserei, olle Kamellen, Schwarzmalerei“, krittelt sie.

Und Wissing? Der Minister versucht in seiner Rede, die Linie seiner Arbeit herauszuheben, zieht immer Parallelen von seiner Wirtschaftspolitik zum BASF-Gründer Friedrich Engelhorn, der als einfacher Handwerker ein weltweit bekanntes „Silicon Valley der Chemie“ aufgebaut habe. Das Bild, das Wissing zeichnet: Aufstiegschancen liegen ihm am Herzen, unabhängig vom Schulabschluss. Weltoffener Handel. Gewiefte Gründer.

Rheinland-Pfalz solle Gründerland Nummer 1 werden, fördere nicht nur Maschinen und Gebäude, sondern auch Ideen wie bei der künstlichen Intelligenz. Mit dem Meisterbonus helfe das Land, damit Handwerker im ländlichen Raum Fuß fassen könnten. Politik solle sich zurückhalten, Lebensentwürfe zu bewerten, fordert der FDP-Mann, der Rheinland-Pfalz „Globalisierungsgewinner“ nennt,  sagt: „Gegen Europa zu sein, ist kein Zukunftskonzept, es ist Zukunftsverweigerung.“ Spannend ist, wie sich Wissing von China abgrenzt, wo er den Handel vertieft und im Landtag doch sagt: „Wer in China ein Zukunftsmodell sieht, hält Freiheit für ein Auslaufmodell.“

Wo die Wissing-Rakete an dem Tag nicht zündet, ist die Frage, wo er in seiner Rede wirklich Neues ankündigt. Manches Selbstlob tauchte auch schon in der Halbzeitbilanz auf, manches Ziel im Koalitionsvertrag.

Doch auch Baldauf zeigt Schwächen. Er kritisiert, dass durch Trier Lastwagen brettern, weil die Stadt von Fernverkehrszügen nahezu abgeschnitten sei. Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) solle sich für mehr Züge einsetzen. Die Krux: Im Bundesverkehrsministerium sitzt mit Andreas Scheuer ein CSU-Mann, der politisch eher Baldauf als Dreyer näher stehen dürfte. Und mit dem Einwand, die Ampelkoalition scheitere daran, die 10,5 Kilometer des A1-Lückenschlusses in der Eifel voranzubringen, greift er ein Projekt an, bei dem Wissing aus liberaler Sicht mächtig Dampf macht und eher die CDU in Nordrhein-Westfalen mit neuen Plänen den Bau verzögert.

Eine Idee, bei der Baldauf mehr erwartet als vom Land geboten, ist ein Eckpunktepapier für eine kostenlose Meisterausbildung.

ARCHIV - 11.12.2018, Rheinland-Pfalz, Mainz: Volker Wissing (FDP), rheinland-pfälzischer Wirtschaftsminister und stellvertretender Ministerpräsident, sitzt im Landtag.   (zu dpa vom 09.02.2019: «Nicht nur auf USA konzentrieren» - Wissing reist nach Israel) Foto: Andreas Arnold/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

ARCHIV - 11.12.2018, Rheinland-Pfalz, Mainz: Volker Wissing (FDP), rheinland-pfälzischer Wirtschaftsminister und stellvertretender Ministerpräsident, sitzt im Landtag. (zu dpa vom 09.02.2019: «Nicht nur auf USA konzentrieren» - Wissing reist nach Israel) Foto: Andreas Arnold/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

Foto: dpa/Andreas Arnold

Auch die AfD äußert Kritik. Matthias Joa wirft Wissing bei Gründern „die gleiche Leier“ vor, weist den Europa-Appell schroff ab, spricht von „Gängelei der EU“ und „Planwirtschaft“. Steven Wink (FDP) findet diesen Themenmix so schräg, dass er Joas Beitrag für einen fiktiven Preis vorschlägt: „Wenn es einen Preis gäbe für gewollt und nicht gekonnt, dann hätten Sie sich mit dieser Rede den goldenen Cordolo verdient.“

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort