Missbrauchsprozess: Opfer wollen normales Leben

Die Opfer des mutmaßlichen Missbrauchsdramas vom Westerwald wollen künftig ein normales Leben führen. Doch die Anwälte zweifeln, ob das möglich ist. Am Mittwoch wurde der Stiefsohn des Angeklagten vor Gericht gehört - Zuschauer und Presse blieben draußen.

Koblenz (dpa/lrs) - Im Koblenzer Missbrauchs-Prozess ist am Mittwoch der Stiefsohn des Angeklagten - eines der drei mutmaßlichen Opfer - als Zeuge gehört worden. Die Öffentlichkeit wurde vor der Befragung ausgeschlossen. Der Angeklagte aus Fluterschen im Westerwald soll den 27-jährigen Stiefsohn, dessen Zwillingsschwester und eine leibliche Tochter über Jahre hinweg missbraucht haben. Zum Prozessauftakt am Dienstag hatte der 48-Jährige zugegeben, sieben Kinder mit seiner Stieftochter gezeugt zu haben, die Missbrauchsvorwürfe bestritt er aber.

Die Tochter und die Stieftochter des Beschuldigten berichteten der Illustrierten „Bunte“, künftig ein möglichst normales Leben führen zu wollen. Sie träume von einem Leben „ohne Gewalt. Ohne Schläge. Ohne Fremdbestimmung“, sagte die 27-jährige Stieftochter. „Vielleicht in einem kleinem Häuschen. Mit meinen Kindern und einem Mann, der mich liebt.“ Zudem wolle sie eine Friseurlehre machen.

Die 18-jährige leibliche Tochter des Mannes beginnt den Angaben zufolge im Sommer eine Ausbildung zur Hotelfachfrau. „Papa wollte nicht, dass wir Mädchen zur Schule gehen. Dort hatte er ja keine Kontrolle über uns.“ Über ihren Vater sagt sie: „Wenn er aus dem Gefängnis freikommen würde, würde ich weglaufen.“ Beide Frauen haben inzwischen Freunde, doch die kennen laut „Bunte“ nicht alle Details ihrer Vergangenheit. Die 27-Jährige sagte der Illustrierten, sie fange langsam zu verstehen an, „wie sich Liebe anfühlt“.

Nach Angaben des Radiosenders SWR4 haben die Anwälte der mutmaßlichen Opfer diese wegen des enormen Medienaufkommens an einen sicheren Ort gebracht. Die Anwältin der 18-Jährigen, Sandra Buhr, bezweifelt laut SWR4, dass die junge Frau je wieder ein normales Leben führen kann. „Ob sie gleich eine neue Identität braucht, kann ich nicht beurteilen, sie wird aber sicherlich professionelle Hilfe in Anspruch nehmen müssen, um das Ganze zu verarbeiten. Wie es dann in zwei drei Jahren aussieht, mag ich heute nicht zu beurteilen.“

Mit dem Ausschluss der Öffentlichkeit von der Zeugenvernehmung des Stiefsohnes reagierten die Richter auf einen Antrag, den der Anwalt des 27-Jährigen gestellt hatte. Das Gericht begründete seine Entscheidung damit, dass dabei intime Details aus dem Sexualleben des Mannes zur Sprache kämen. Schon die Zwillingsschwester des 27-Jährigen hatte hinter verschlossenen Türen ausgesagt. Bis zum Mittwochmittag waren keine Angaben über den Inhalt der Vernehmung des Stiefsohnes zu erfahren.

Beim Gang in den Gerichtssaal fixierte der sichtlich angespannte Stiefsohn kurz den Angeklagten. Dieser blieb wie bei Prozessbeginn am Vortag fast regungslos. Auch die 18-jährige Tochter sollte am Mittwoch aussagen. Sie wird nach Angaben ihrer Anwältin von Angst beherrscht: „Auf der einen Seite ist es ja ihr geliebter Vater, auf der anderen Seite auch ihr Peiniger, der ihr die Kindheit genommen hat.“

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