Mit Beethoven gegen die AfD - Polizei ermittelt gegen Theater

Mainz · Justizposse oder Grundsatzstreit? Nach einer Kundgebung „Gegen das Asylchaos“ wirft die Polizei die Frage nach Grenzen von Protestaktionen auf. Ein betroffenes Theaterensemble ist gelassen und will weiter singen.

Ermittlungen wegen Beethovens "Ode an die Freude": Weil Ensemble-Mitglieder des Staatstheaters Mainz mit diesem Lied eine Kundgebung der Partei AfD störten, sehen sie sich jetzt mit einer Strafanzeige des Polizeipräsidiums Mainz konfrontiert. "Wer eine genehmigte Versammlung grob stört, macht sich strafbar", sagte eine Polizeisprecherin am Dienstag.

Ungewöhnlich ist nach Einschätzung von Juristen, dass die Anzeige nicht von der betroffenen Partei, sondern von der Polizei gestellt wurde. Das Theater ist verwundert: "Wir waren nicht aggressiv, wir haben Beethoven gesungen", sagte eine Sprecherin. Zudem habe das Theater nach einer Aufforderung der Polizei die Fenster zum Platz vor dem Theater geschlossen.

Dort hatten sich am Samstag etwa 300 AfD-Anhänger zu einer Kundgebung unter dem Motto "Gegen das Asylchaos" versammelt. Die Theaterintendanz will nun abwarten, was kommt. Sollte es eine Geldstrafe geben, werde schon jetzt dafür gesammelt, sagte die Sprecherin. "Wir erleben eine sehr große Resonanz." Mit Beethovens "Ode an die Freude" habe das Theater eine Antwort auf fremdenfeindliche Parolen gegeben und werde sich auch künftig auf ähnliche Weise zu Wort melden. Schließlich befasse sich das Theater gemeinsam mit dem Publikum in seiner Arbeit mit Themen wie Migration und Mitmenschlichkeit. "Es ist direkt vor unserer Haustür gewesen", sagte die Sprecherin. "Da nichts zu sagen, wäre armselig gewesen."

Ein Sprecher der AfD Rheinland-Pfalz warf den Gegendemonstranten "eine massive Bereitschaft" vor, "gegen Recht und Gesetz zu verstoßen". Mehr als 100 Personen seien daran gehindert worden, zu der Versammlung gelangen, sagte der Parteisprecher. Ob die AfD dagegen juristisch vorgehe, werde noch geprüft. Bei der Staatsanwaltschaft Mainz liege die Anzeige des Polizeipräsidiums noch nicht vor, sagte Oberstaatsanwältin Andrea Keller. "Offenbar befindet sich diese noch in der polizeilichen Sachbearbeitung."

Der Mainzer Jura-Professor Friedhelm Hufen sagte der Deutschen Presse-Agentur: "Ich finde die Aktion mit der Ode an die Freude hochsympathisch, aber in der rechtlichen Bewertung liegt bei einer massiven Störung eine Verletzung des Grundrechts auf Versammlungsfreiheit vor." Die erste angemeldete Versammlung habe den Vorrang und einen Anspruch darauf, nicht gestört zu werden. "Ob man gleich mit einer Strafanzeige reagieren sollte, weiß ich nicht. Üblicherweise geht eine Strafanzeige von dem Gestörten aus. Ich habe es selten erlebt, dass die Polizei von sich aus aktiv wird."

Den Aufrufen zu Protesten gegen die AfD folgten in Mainz mehr als 1000 Menschen - danach hatte die Polizei in ihrer Bilanz noch erklärt, es habe keine besonderen Vorkommnisse gegeben. Die Mainzer SPD erklärte am Dienstag, die Strafanzeige sei "vermutlich kaum tragfähig". Der Protest des Theaters gegen die AfD-Kundgebung habe das Recht der Versammlungsteilnehmer nicht unzulässig eingeschränkt und den meisten Mainzern vor Ort habe "die Aktion des Theaters aus der Seele gesprochen".

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