Mit der Abrissbirne gegen den Bevölkerungsschwund

Trier · Kleinere Gemeinden müssen sich zusammenschließen, unattraktive Wohngegenden müssen modernisiert werden: Nur so könnten Kreise und Städte, etwa in der Eifel, an der Mosel oder im Hunsrück, dem Bevölkerungsschwund entgegenwirken. Zu diesem Schluss kommt ein gestern in Mainz vorgestelltes Gutachten des Landes.

Trier. 4500 neue sozialversicherungspflichtige Jobs sind zwischen 2005 und 2012 im Kreis Bernkastel-Wittlich entstanden. Trotzdem ist die Bevölkerung im gleichen Zeitraum um rund 900 Einwohner zurückgegangen. Im Vulkaneifelkreis sieht es noch schlimmer aus. 2281 neue Jobs wurden dort geschaffen, aber die Bevölkerung ging um 1400 Einwohner zurück. Zusammen mit dem Westerwaldkreis, Cochem-Zell, Pirmasens, Kusel oder Birkenfeld gehören Bernkastel-Wittlich und die Vulkaneifel zu den sogenannten schrumpfenden Kreisen. Ihnen gemein ist, dass ein Beschäftigungswachstum nicht mehr mit einer Bevölkerungszunahme einhergeht. Die neuen Jobs werden überwiegend von Pendlern aus anderen Kreisen besetzt.
Die gestern von dem Bauforum Rheinland-Pfalz - einem Zusammenschluss von Land und Verbänden - vorgelegte Studie belegt, dass 72 Prozent der insgesamt 117 000 neuen Arbeitsplätze, die zwischen 2005 und 2012 im Land geschaffen worden sind, von Pendlern über Kreisgrenzen hinweg besetzt worden sind.
Anders die Situation in den sogenannten Gewinner-Kreisen. Etwa Trier-Saarburg. Hierhin zogen in dem Zeitraum 4755 Personen hinzu, obwohl "nur" 3582 neue Jobs geschaffen worden sind. Im Eifelkreis Bitburg-Prüm wuchs die Bevölkerung in der Zeit um 668 bei rund 2500 neuen Jobs.
Zentrale Aufgabe der Wohnungs- und Stadtentwicklung in den schrumpfenden Kreisen werde die Erhaltung und die Erhöhung der Wohnattraktivität, heißt es in dem Gutachten. Notfalls müssten die Kommunen dafür auch Geld in die Hand nehmen. Städte in diesem Kreisen hätten oftmals kein klar definiertes Zentrum, Schulen seien oft über die Stadt verstreut, Geschäfte befänden sich zumeist konzentriert am Stadtrand, Kneipen und Restaurants hätten kaum Laufkundschaft.
Während in Trier, Trier-Saarburg und teilweise auch in Bitburg-Prüm aufgrund des Bevölkerungszuwachses in den nächsten Jahren neuer Wohnraum geschaffen werden muss, müsse in schrumpfenden Kreisen und Städten auch darüber nachgedacht werden, weniger attraktive Gebäude und leer stehende Siedlungen abzureißen, um den Wohnungsmarkt dort zu stabilisieren, so die Gutachter. Die derzeitige kleinteilige Gemeindestruktur im Land sei aber eher hinderlich. Sie empfehlen im Zuge einer Gemeinde- und Kreisreform den Zusammenschluss von Gemeinden zu größeren Zentren.
In Städten wie Trier, wo Wohnraum knapp ist, sollte attraktives Bauland möglichst nicht brachliegen, um das Wohnungsangebot auszuweiten. Mehr familienfreundliche Wohnungsangebote sollten junge Menschen vom Abwandern ins Umland abhalten, empfehlen die Experten.
Das Gutachten zeigt nach Ansicht von Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD), dass Rheinland-Pfalz zwar ein "außerordentlich attraktiver Wohnstandort" ist, aber "ein Umdenken" erforderlich sei. "Wohnungs- und Städtebaupolitik müssen künftig noch enger zusammenarbeiten und mit anderen Politikbereichen verzahnt werden." Vor allem die Bevölkerungsentwicklung müsse in die Wohnraumplanung miteinbezogen werden.
Insgesamt aber könne im Land von einem funktionierenden Wohnungsmarkt ausgegangen werden, sagte Finanzminister Carsten Kühl (SPD) bei der Vorstellung des Gutachtens. Allerdings müsse die Wohnraumförderung, vor allem für behinderten- und seniorengerechte Wohnungen, zielgenauer ausgerichtet werden, so Kühl.Extra

Das Gutachten zur Wohnraumnachfrage in Rheinland-Pfalz bis zum Jahr 2030 wurde vom Finanzministerium, der Investitions- und Strukturbank und dem Bauforum in Auftrag gegeben. In dem Forum sind unter anderem das Land, die Kommunen, die Bau- und die Wohnungswirtschaft und die Handwerkskammern zusammengeschlossen. wie

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