Nach fünf Jahren Recht bekommen
WITTLICH. Das gestrige Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH), nach dem das Wittlicher Krankenhaus einer HIV-Infizierten Schmerzensgeld zahlen muss, kann weitreichende Folgen haben. In den achtziger Jahren wurden über 2000 Patienten durch Blutprodukte mit dem Virus infiziert.
Fünf Jahre musste sie darauf warten, dass sie Schmerzensgeld bekommt, obwohl das Krankenhaus der heute 34-Jährigen selbst keinen Schaden zugefügt hat, sondern ihrem Mann. Aber die Karlsruher Richter halten es für erwiesen, dass der gleichaltrige Ehemann in dem damaligen Kreiskrankenhaus mit HIV infiziert worden ist und nur er seine Frau angesteckt haben kann. Die Ärzte seien ihrer Aufklärungspflicht nicht nachgekommen. Sie hätten den damals 15-Jährigen, der im Sommer 1985 nach einem Mopedunfall 28 Bluttransfusionen und aus Blut hergestellte Gerinnungskonzentrate erhielt, auf die HIV-Gefahr hinweisen müssen. Erst ab Oktober 1985 wurden nämlich die Blutprodukte auf den gefährlichen Virus, der das unheilbare Aids auslösen kann, untersucht. Über 2000 Menschen, darunter über 1800 Bluter, sollen sich auf diese Weise mit HIV infiziert haben. 1997 wurde bei dem dann 28-Jährigen HIV nachgewiesen. Seit zehn Jahren war er da bereits mit seiner heutigen Frau zusammen, vier Jahre lang waren sie zu diesem Zeitpunkt verheiratet. Auch bei der Frau, die als Schneiderin arbeitet, wurde kurz darauf eine HIV-Infektion nachgewiesen. Sie wollte sich nicht mit diesem Schicksal abfinden und verklagte das Wittlicher Krankenhaus, das zu dieser Zeit schon von der Trägerschaft des Kreises Bernkastel-Wittlich zur Caritas Trägergesellschaft (ctt) übergegangen war. Das Trierer Landgericht schmetterte 2001 die Klage ab. Im vergangenen Jahr gab das Oberlandesgericht (OLG) Koblenz der Frau Recht: Ihr stehe Schmerzensgeld in Höhe von 127 823 Euro zu. Das Krankenhaus ging in Revision, die der Bundesgerichtshof gestern abwies. Die Richter halten eine anderweitige Ansteckung im Fall des Ehepaares für ausgeschlossen. "Enormes Haftungsrisiko" für Krankenhäuser
Die Entscheidung sei zwar "menschlich verständlich", doch seien die Richter der Klägerin "sehr weit" entgegengekommen, sagte der Karlsruher Rechtsanwalt Richard Lindner, einer der Vertreter des Wittlicher Krankenhauses vor dem BGH, gegenüber unserer Zeitung. Aus seiner Sicht sei es noch nicht geklärt, ob eines der Blutprodukte, die dem damals 15-Jährigen verabreicht worden seien, tatsächlich mit HIV verseucht war. Auch wenn er keine Klageflut erwartet, glaubt er, dass sich nun durchaus Folgefälle ergeben könnten. Denn nach dem Urteil bestehe für die Krankenhäuser ein "enormes Haftungsrisiko", sagte Lindner. Ungeklärt sei allerdings noch, ob die ctt das Schmerzensgeld zahlt oder der damalige Träger, der Kreis Bernkastel-Wittlich. Das Krankenhaus muss auch für eventuelle Verdienstausfälle durch die Infektion aufkommen (Az.: VI ZR 179/04).