Nachdenklicher Rebell

Es wird nicht leicht sein, sich daran zu gewöhnen, dass Hermann Münzel nicht mehr lebt. Zu viele Spuren hat er hinterlassen, zu viele Lichter angezündet, zu viele Projekte angeschoben. Nicht, weil er partout im Mittelpunkt stehen wollte - obwohl er auch davor keine Scheu hatte.

Es war sein Lebensprinzip, sich um die Dinge, die er für wichtig hielt, selbst zu kümmern, mit rastlosem persönlichen Einsatz. Seine Kirche, der Erhalt der Umwelt, die Versöhnung in Nahost, die Entwicklung seiner Stadt und ihrer Bauten, die deutsche Vergangenheit, die Schüler, die er unterrichtete: Nichts war ihm egal. Und was ihm nicht egal war, dafür legte er sich ins Zeug. Man darf vermuten, dass er manchmal unglücklich war, weil der Tag nicht noch mehr Stunden hatte, um sich um noch mehr Dinge zu kümmern, die es aus seiner Sicht nötig gehabt hätten. Bequem war er nie. Für seine Mitstreiter nicht, weil Kompromisse, die er für faul hielt, nicht seine Sache waren. Bisweilen war die Kampflinie längst geräumt, da stand Hermann Münzel immer noch eisern auf seinem Posten. Für seine Gegner nicht, weil seine Emotionalität meist von fundierter Sachkenntnis und rhetorischem Geschick begleitet wurde. Und weil er Fehler und Grenzüberschreitungen mit entwaffnender Ehrlichkeit zugeben konnte - wenn er sie denn als solche einstufte. Seinen Ruf als Kirchenrebell hat er sich redlich verdient. Sein Einspruch war um so konsequenter und unbeirrbarer, je wichtiger ihm ein Thema war. Also ging es bei der katholischen Kirche am heftigsten zur Sache. Er war Stachel im Fleisch seiner Kirche, gleichzeitig aber in ihrem Dienst Magnet und Kristallisationspunkt für Christen, die mit der amtlichen Glaubens-Hierarchie und ihrer Logik längst abgeschlossen haben. Er wird fehlen, nicht nur den vielen persönlichen Freunden, sondern auch den zahlreichen Anliegen, die er zu den seinen machte. Hermann Münzel erlag am gestrigen Donnerstag in Konz-Karthaus der langwierigen Krebs-Erkrankung, die ihn seit Monaten ans Bett gefesselt hatte. Freunden zufolge war es am Ende dennoch ein friedlicher Tod. Dieter Lintz

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