Nahkampf mit Messer und Gabel

TRIER. Das Beibringen von Tischmanieren ist auch in Zeiten von Fast-Food und Steh-Imbiss nach wie vor eine Aufgabe, der sich Eltern in ihrer Erziehungsarbeit widmen müssen. Und zwar von Anfang an, sagen Experten. Frei nach dem Motto "Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmer mehr".

 Tischmanieren werden beim Dietrich-Bonhoeffer-Gymnasium wichtig genommen.Foto: Gabriela Böhm

Tischmanieren werden beim Dietrich-Bonhoeffer-Gymnasium wichtig genommen.Foto: Gabriela Böhm

Die Zeit, in der nach einem gehaltvollen mittelalterlichen Mahl die Frage "Warum rülpset und furzet Ihr nicht, hat Euch das Mahl nicht geschmacket?" gestellt wurde, liegt schon einige hundert Jahre zurück. Welche Tischmanieren sollten Eltern ihren Kindern also vermitteln? Gibt es sie überhaupt noch in Anbetracht einer Gesellschaft, in der im Laufschritt der Döner gemampft oder neben der Tanksäule Pommes aus der Hand geschaufelt werden? Experten sind sich einig: Das Vermitteln von Tischmanieren ist nach wie vor wichtig. Sie gehören zu unserer Kultur und sollten beigebracht werden, sobald Kinder sie in Worte fassen können. "Schmatzen, Rülpsen, Schlingen und Kauen mit offenem Mund sind tabu", findet Hermann Müller von der Lebensberatungsstelle des Bistums Trier. Gefragt ist das gute Vorbild der Eltern, die auch einer "Urwaldmentalität" entgegen wirken müssen. Nämlich dem "Recht des Stärkeren", der als Schnellster das größte Bratenstück aus der Terrine angelt. Gemeinsame Mahlzeiten wichtig nehmen

Wichtig sind die gemeinsamen Mahlzeiten von Eltern und Kindern, in denen - wie bei der Arbeitszeit - eine bestimmte "Kernzeit" eingehalten wird. Dabei sollten alle für eine bestimmte Zeit am Tisch sitzen - auch, wenn der Teller schon leer ist. Freude und Kommunikation beim Essen sind wichtig, sagt auch Wolfgang Drehmann, Leiter der Lebensberatungsstelle. Er findet es nicht so tragisch, wenn der Arm beim Essen mal nicht richtig liegt. Dennoch sollten Kinder (und Erwachsene) beim Essen alles vermeiden, was andere stören könnte. Gleichermaßen wird oft auch bei den Gemeinschaftsessen in Ganztagsschulen und Kindertagesstätten verfahren. Wie im Schweicher Dietrich-Bonhoeffer-Gymnasium. Dort sind in einem ritualisierten Essensablauf klare Regeln festgelegt. Da die 170 Kinder unterschiedliche Verhaltensweisen von zu Hause mitbringen, ist es keine leichte Aufgabe, auf Tischmanieren in der Schule zu achten. "Die meisten Kinder kennen die gängigen Tischsitten, setzen sie jedoch nicht immer ein", sagt Schulleiter Heinrich Bentemann. Wer andere stört und die gesellschaftlichen Regeln nicht einhält, wird darauf hingewiesen. Dabei könnten bereits kurze Handzeichen Verhaltensänderungen nach sich führen. Feste Absprachen, frühe eindeutige Grenzen und klare Linien sind auch im familiären Alltag von Nöten, um den Nachwuchs nicht zu überfordern. "Wenn in der frühen Kindheit eine Verhaltens-Basis gelegt wird, können Eltern während der Pubertät ihres Kindes auch mal großzügig über Ausrutscher hinweg gehen", weiß Clarissa Schmitthüsen vom Trierer Kinderschutzbund. Sie hat festgestellt, dass sich Kinder oft unterschiedlich zu Hause oder im Freundeskreis verhalten, wo sie das erwünschte Benehmen an den Tag legen. Spielerisch können Tischregeln eingeübt werden, um andererseits mit einem "Schmatz-Tag" den kindlichen Vorlieben gerecht zu werden. Wenn fremde Kinder zu Besuch kommen und keine Tischmanieren zeigten, sollten die eigenen Familienregeln aufgezeigt werden. Auch in Hinblick auf das spätere Berufsleben sind Tischmanieren wichtig. So ließ eine Hamburger Behörde ihre Bewerber in einem Mittagessen ein Auswahlverfahren durchlaufen und testete, ob das Besteck richtig geführt wurde. "Ein Super-Verfahren", findet ein Trierer Mitbewerber, der nicht genannt werden möchte. "Wie manche Jung-Akademiker Messer und Gabel als Nahkampfwaffen einsetzen, ist zum Heulen."

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