Naive Gärtner

TRIER. Gefängnisstrafen für Cannabis-Gärtner: Das Landgericht hat ein Ehepaar aus der Nähe von Aachen zu dreieinhalb Jahren Haft verurteilt. Der 42-jährige Mann und seine ein Jahr jüngere Ehefrau hatten auf dem Bitburger Flugplatz Cannabis angebaut. Wachleute hatten die größte je in Rheinland-Pfalz entdeckte "Indoor-Anlage" auffliegen lassen.

Saal 230, kurz vor 9 Uhr gestern Morgen: Zum ersten Mal seit ihrer Verhaftung Ende August sehen sich die Eheleute Birgit und Hans-Ulrich B. wieder, beide in Handschellen, vorgeführt von Justizbediensteten. "Wie geht es dir", fragt er sie, die 41-Jährige nickt nur kurz. Das Ehepaar aus Selfkant nahe der deutsch-niederländischen Grenze hat bis vor einigen Monaten ein ganz normales Leben geführt, jetzt stehen die beiden vor den Trümmern ihrer Existenz: ein Berg voller Schulden, ein Strafverfahren wegen Drogenanbaus und einen Hintermann auf der Flucht, der wahrscheinlich gar nicht gut auf die Bekannten zu sprechen sein wird, die ihn bei der Polizei verpfiffen haben. Josef E. heißt der mit internationalem Haftbefehl gesuchte ominöse Drahtzieher, den die Angeklagten seit Jahren flüchtig kennen. Der Niederländer muss Anfang des Jahres bemerkt haben, dass den Eheleuten finanziell immer mehr die Puste ausging. Birgit B. hatte da gerade mit einem eigenen Geschäft Schiffbruch erlitten und 400 000 Euro Schulden. Ihr Mann, ein früh aufs Altenteil geschickter Briefträger, bezieht eine Pension, die nicht einmal reicht, um das Darlehen fürs Haus abzubezahlen. Da kam Josefs Angebot ("Ich wüsste da vielleicht eine Möglichkeit") gelegen. Ein paar Nächte haben Birgit und Hans-Ulrich noch gegrübelt, ob sie das Wagnis eingehen sollten, dann willigten sie ein: "Okay, wir machen´s." Der Anfang vom Ende."Ich war froh, als wir erwischt wurden"

Zunächst waren es nur zwei Kellerräume im heimischen Selfkant, die das Ehepaar ihrem Bekannten für die Aufzucht der Cannabis-Pflanzen überließ; Ende April kamen die beiden abgelegenen Flugzeugshelter in Bitburg dazu. Josef kümmerte sich nach Aussage der beiden Angeklagten um fast alles, die Eheleute waren "angestellte Gärtner mit einer grenzenlosen Naivität" (Vorsitzender Richter Armin Hardt). Von dem Geld, das ihnen der Niederländer versprochen hatte, sahen sie nur einen Bruchteil: 10 000 Euro statt knapp 100 000. Dafür lebten Birgit und Hans-Ulrich in ständiger Angst, dass ihnen die Drogenfahndung auf die Schliche kommt. Freunde luden sie erst gar nicht mehr zu sich ein, weil es im ganzen Haus nach Cannabis roch. "Ich war froh, als wir erwischt wurden", sagt die 41-Jährige vor Gericht. Die beiden plauderten nach ihrer Festnahme wie ein Wasserfall. Beichteten den Ermittlern sogar mehr, als diese den "Drogengärtnern" hätten nachweisen können. Auch im Verfahren vor der Dritten Großen Strafkammer redet sich vor allem Birgit die Last von der Seele. Erzählt, wie alles angefangen hat, wie sie in Ober-stedem bei Bitburg eine Ferienwohnung gemietet haben, um nicht jede Nacht nach Hause fahren zu müssen, wie sie später verhaftet wurden und wie gut man sich jetzt um sie kümmert im Koblenzer Untersuchungsgefängnis. Jetzt haben die beiden nur Angst davor, "dass im Nachhinein etwas passieren könnte", wenn sie nach ein paar Jahren wieder draußen sind und Josef sich womöglich rächen will. "Der kennt Leute", sagt Birgit. Als Richter Armin Hardt sein Urteil begründet hat, dürfen sich die beiden noch einmal in den Arm nehmen. Es wird das letzte Mal sein für lange Zeit.

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