Nebelzone im Raum Trier kostet vier Menschen das Leben: "Dann hängst du plötzlich in der Suppe"

Sehlem · Das tragische Flugzeugunglück bei Sehlem wirft viele Fragen auf. Warum ist die Maschine trotz Nebels so tief geflogen, dass sie einen Strommast streifte? War es menschliches Versagen, waren Instrumente defekt? Die Ermittlungen der Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung (BFU) können noch Tage dauern.

Sehlem. Es muss kurz vor 12 Uhr mittags gewesen sein, als das zweimotorige Geschäftsflugzeug, eine Cessna Citation, den Strommast oberhalb der Kreismülldeponie bei Sehlem streift und danach auf einem Feld zerschellt. Um 11.53 geht bei der Polizei in Schweich ein Notruf von Spaziergängern ein. Diese sind im Bereich der Tierkörper-Beseitigungsanlage und der Zentralen Mülldeponie bei Rivenich unterwegs. Sie geben an, ein lautes Flugzeuggeräusch gehört zu haben, das von einem sehr niedrig fliegenden Jet stammen müsse. Dann habe es laut gekracht und man habe Flammenschein im Nebel gesehen.

Die Polizei Schweich verständigt sofort die Kollegen von der zuständigen Polizeiinspektion (PI) Wittlich. Polizeioberrat Dietmar Braun vom Polizeipräsidium Trier koordiniert den Einsatz vor Ort. Er führt die Journalisten bis etwa 50 Meter vor die Absturzstelle. Näher ran an das bis auf das Heck total ausgebrannte Flugzeug darf man nicht. Zu gefährlich. Der stark beschädigte Strommast könnte umfallen. Vermutlich wird er nur noch von den Leitungen gehalten, denn durch die Wucht des Crashs ist er verformt. Im Masten hängt noch eine Tragfläche der Unglücksmaschine.

Für die vier Insassen kommt jede Hilfe zu spät. Als die Feuerwehren etwa 20 Minuten nach der Alarmierung die Unfallstelle im Nebel gefunden haben, brennt die Cessna nach Auskunft des stellvertretenden Wehrleiters Erich Thieltges lichterloh. Unter Zuhilfenahme mehrerer Schaumrohre wird der Brand schnell gelöscht. Alarmiert sind die Feuerwehren von Hetzerath, Rivenich, Sehlem und Salmtal. Ebenfalls am Unfallort befinden sich Kräfte des Malteser Hilfsdienstes.
Zum Flugzeug und seinen Insassen kann Thieltges gegen 14 Uhr nur unbestätigte Angaben machen. Einige Stunden später meldet die Polizei, dass die Maschine in Südengland gestartet sei und gegen Mittag auf dem Flugplatz in Föhren landen sollte. Für die Insassen, einen 61-jährigen Geschäftsmann aus der Region und seine 60-jährige Ehefrau sowie die beiden Piloten, gibt es keine Rettung mehr. Sie sind in den Trümmern verbrannt. Zu Spekulationen führt eine Menge toter Fasane, die bei der Einschlagstelle verstreut aufgefunden werden. Stammen die Vögel aus dem Gepäckraum des Flugzeugs? Kehrten die Passagiere von einer Fasanenjagd auf der britischen Insel zurück?

Auch die genaue Unfallursache ist noch nicht bekannt. Sie werde voraussichtlich erst nach zwei, drei Tagen feststehen, meint Peter Baus von der Flugunfall-Bundesstelle Braunschweig. Ein Team der BFU werde sich das Wrack detailliert anschauen, dafür werde man es voraussichtlich in eine Halle bringen. Seine Aufgabe sei es, eine Erstsichtung vorzunehmen, sagt Baus. Fotos machen, die Triebwerke checken, GPS-Daten auswerten und den Flugweg rekonstruieren. Zunächst heißt es, bei dem Unfallflieger handele es sich um einen Lear-Jet, doch es ist eine Cessna Citation, eine zweistrahlige Maschine, die vermögende Geschäftsleute gerne für Reisen nutzen (siehe Extra).

Die Flugaufsicht auf dem Tower des Föhrener Flugplatzes verweist auf ihre Schweigepflicht und gibt keine Auskunft zum Unfall. Laut Deutscher Flugsicherung (DFS) gab es zunächst keine Unregelmäßigkeiten: Der Pilot habe bei der Kontrollzentrale für den unteren Luftraum (bis 7000 Meter Höhe) einen Instrumentenflug angemeldet. Etwa eine halbe Stunde vor dem Absturz habe sich der Pilot abgemeldet und sei nach Sichtflugregeln weitergeflogen, sagt DFS-Sprecherin Kristina Kelek. Die nächste Meldung habe dann den Absturz bei dichtem Nebel betroffen.

Ein Berufspilot, der nicht genannt werden möchte, vermutet ein unglückliches Zusammenspiel von einem Schönwettergebiet in fast ganz Deutschland und einer dichten Nebeldecke über dem Trierer Raum. "Da kommst du aus dem schönsten Sonnenschein, und schlagartig hängst du in der Suppe." Der Flugplatz Föhren hat keine Blindlandetechnik und muss auf Sicht angeflogen werden. Allerdings erleichtert eine spezielle Landebefeuerung auch den Anflug bei schlechter Sicht oder starkem Regen. Voraussetzung dafür ist eine bestimmte Mindestsichtweite.
Extra

Der Privatjet ist gegen den Mast einer Hochspannungsleitung geprallt, die zum Versorgungsnetz der Deutschen Bahn (DB) gehört. Unmittelbar nach dem Unfall legte die Bahn ihre Leitung still. Wie das Unternehmen mitteilt, konnte die Strecke Trier-Koblenz seither wegen des geringeren Stromangebots in den Oberleitungen nur noch mit gedrosseltem Tempo befahren werden. Der Güterverkehr werde umgeleitet. Verspätungen im Personenverkehr seien unvermeidbar. Davon werde auch der Schüler- und Berufsverkehr am heutigen Montag betroffen sein. f.k.Extra

Die Geschäftsflugzeuge des US-Herstellers Cessna vom Typ Citation gehören zu den erfolgreichsten auf dem Weltmarkt: Von sechs verschiedenen Typen des zweistrahligen Jets wurden nach Werksangaben bisher 6500 Maschinen hergestellt. 1972 wurde die erste Citation ausgeliefert, seither wurde der Typ immer wieder modernisiert. Mittlerweile ist das Flugzeug mit Reichweiten zwischen knapp 2000 und 4800 Kilometern erhältlich. Die Cessna Citation hat zwei seitlich am Rumpf angebrachte Triebwerke. Sie zeichnet sich dadurch aus, dass sie auch auf vergleichsweise kurzen Start- und Landebahnen genutzt werden kann. dpa


Mehr zum Thema

 Der Flugplatz Föhren aus Sicht eines Kleinflugzeugpiloten beim Landeanflug. TV-Foto: Archiv/Friedemann Vetter

Der Flugplatz Föhren aus Sicht eines Kleinflugzeugpiloten beim Landeanflug. TV-Foto: Archiv/Friedemann Vetter

Rivenich: Geschäftsmann aus der Region und seine Ehefrau sterben bei Flugzeugabsturz

Flugzeugunglücke in der Region auf einen Blick

Nebelzone im Raum Trier kostet vier Menschen das Leben: "Dann hängst du plötzlich in der Suppe"

Vier Menschen sterben bei Flugzeugabsturz bei Rivenich

Absturz eines US-Militärflugzeugs bei Laufeld (Frühjahr 2011)

Wikipedia-Eintrag zur Cessna Citation

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort